Leitsatz (amtlich)

Ein dringender Fall für die Bestellung eines Notgeschäftsführers einer GmbH liegt nur vor, wenn die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen und der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Notgeschäftsführerbestellung Schaden drohen würde oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte.

 

Normenkette

BGB § 29

 

Verfahrensgang

AG Mainz (Beschluss vom 09.09.2011; Aktenzeichen HRB.)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind Gesellschafter der im Rubrum bezeichneten GmbH. Von dem Stammkapital der Gesellschaft halten die Beteiligten zu 2) und 3) zusammen die einfache Mehrheit. Der Beteiligte zu 1) war zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft. In der Gesellschafterversammlung vom 19.8.2011 wurde der Beteiligte zu 1) als Geschäftsführer abberufen. Den Gesellschafterbeschluss hat er vor dem LG Mainz angefochten (Az.: 12 HK O 42/11 und 12 HK O 43/11). Ein neuer Geschäftsführer wurde in der Versammlung nicht bestellt, nachdem der Beteiligte zu 1) erklärt hatte, in der Kürze der Zeit keinen adäquaten Geschäftsführer vorschlagen zu können und der anwaltliche Vertreter der Beteiligten zu 2) und 3) mitgeteilt hatte, dass "zu diesem Tagesordnungspunkt kein Antrag gestellt werde und eine gerichtliche Bestellung des neuen Geschäftsführers angestrebt werde".

Mit Schriftsatz vom 22.8.2011 beantragte die Beteiligte zu 2) die Bestellung eines Notgeschäftsführers beim AG. Nachdem die Beteiligten zu 1) und 4) Bedenken gegen die von der Beteiligten zu 2) als Notgeschäftsführer vorgeschlagenen Personen, die Beteiligte zu 2) Bedenken gegen den Vorschlag des Beteiligten zu 1) geäußert hatten, hat das AG - Registergericht - mit Beschluss vom 9.9.2011 den von der Beteiligten zu 2) benannten Dr ... zum Notgeschäftsführer mit unbeschränktem Wirkungskreis bestellt. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, die Dringlichkeit der Bestellung liege insbesondere im Hinblick auf die Verfahren beim LG Mainz vor, die sich gegen die GmbH richteten.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der Beschwerde. Er trägt vor, die Bestellung eines Notgeschäftsführers komme schon deshalb nicht in Betracht, weil seine Abberufung als Geschäftsführer unwirksam gewesen sei. Darüber hinaus greife der Beschluss in unzulässiger Weise in die Gesellschafterautonomie ein, indem er eine in der Gesellschafterversammlung zu entscheidende Personalentscheidung einseitig zugunsten der Beteiligten zu 2) entscheide. Darüber hinaus dürfe die gerichtliche Notbestellung nur in dringenden Fällen und als subsidiäre Maßnahme erfolgen. Ein solch dringender Fall sei nicht gegeben.

II. Die Beschwerde ist gem. §§ 58, 59, 63, 64 FamFG zulässig.

In der Sache führt sie zum Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers liegen (noch) nicht vor. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Grundsätzlich darf ein Notgeschäftsführer vom Gericht am Sitz des Handelsregisters in entsprechender Anwendung des § 29 BGB nur bestellt werden, wenn ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall gegeben ist.

Die Bestellung eines Notgeschäftsführers scheitert vorliegend nicht schon daran, dass die Abberufung des Beteiligten zu 1) als Geschäftsführer nach dessen Auffassung unwirksam ist und angefochten wurde. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH werden, vom Fall der Nichtigkeit abgesehen, mit der Feststellung des Beschlussergebnisses vorläufig verbindlich. Sie bleiben es bis die Unwirksamkeit des Beschlusses rechtskräftig festgestellt ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Indes liegt kein "dringender Fall" i.S.d. § 29 BGB vor, der die Bestellung eines Notgeschäftsführers rechtfertigen würde. Von einem dringenden Fall kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Gesellschaftsorgane selbst nicht in der Lage sind, innerhalb einer angemessenen Frist den Mangel zu beseitigen und der Gesellschaft oder einem Beteiligten ohne Notgeschäftsführerbestellung Schaden drohen würde oder eine alsbald erforderliche Handlung nicht vorgenommen werden könnte. Dabei ist zu beachten, dass es im Grundsatz nicht Aufgabe des Verfahrens nach § 29 BGB ist, Differenzen zwischen den verschiedenen Gelellschaftern zu entscheiden. Der Gesetzgeber schützt die Autonomie der Gesellschaften, indem er deren rechtliche Verhältnisse weitgehend der vertraglichen Gestaltung und der Entscheidung der Geschäftsorgane überlässt. Die Ernennung eines Notgeschäftsführers durch das Registergericht ist ein schwerwiegender hoheitlicher Eingriff in die Gesellschaftsautonomie, der deshalb nur in enger Auslegung der Ermächtigungsvorschrift erfolgen kann (OLG Frankfurt, Beschlüsse v. 27.7.2005 - 20 W 280/2005 - und 26.5.2011 - 20 W 248/11 -, zitiert nach Juris).

Dies zugrunde gelegt, kann zurzeit nicht von einem dringenden Bedürfnis für ein hoheitliches Einschreiten durch Bestellung eines Notgeschäftsführers a...

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