Rz. 91

Während sich bei Kapitalgesellschaften die sanktionsbewehrte Offenlegung des Jahresabschlusses – abgesehen von den Fällen des § 264 Abs. 3 HGB – kaum vermeiden lässt, sondern allenfalls über die Beeinflussung der Größenklasse gem. § 267 HGB der Umfang der Offenlegung vermindert werden kann, werden in der Literatur verschiedene Strategien aufgezeigt, wie Personenhandelsgesellschaften i. S. d. § 264a HGB entweder dem Anwendungsbereich der für Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen bezüglich Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung entgehen oder zumindest die Aussagekraft von Jahresabschlüssen vermindern können. Neben der bereits skizzierten Anwendung der Befreiungsregelung nach § 264b HGB werden nachfolgend weitere Möglichkeiten dargestellt.[1]

 

Rz. 91a

Viele Unternehmen versuchen insbesondere die Offenlegung des Jahresergebnisses aufgrund der unerwünschten Publizität gegenüber Wettbewerbern zu vermeiden. Nach § 268 Abs. 1 HGB darf die Bilanz auch unter Berücksichtigung der vollständigen oder teilweisen Verwendung des Jahresergebnisses aufgestellt werden (an die Stelle der Posten "Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag" und "Gewinnvortrag/Verlustvortrag" tritt der Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust"; ein vorhandener Gewinn- oder Verlustvortrag ist in den Posten "Bilanzgewinn/Bilanzverlust" einzubeziehen und in der Bilanz gesondert anzugeben). Allerdings lässt sich das Jahresergebnis errechnen, indem vom Bilanzgewinn der Gewinnvortrag abgezogen wird, unter Berücksichtigung von etwaigen Gewinnausschüttungen.

[1] Vgl. dazu Stahl, KÖSDI 2007, S. 15476; Sultana/Willeke, StuB 2007, S. 45; Grashoff, DB 2006, S. 513; Bitter/Grashoff, DB 2000, S. 833/838; Theile, GmbHR 2000, S. 215/217; Vermeidung der Publizitätspflicht des Jahresergebnisses einer GmbH, DWS-Verlag 2/2015, Berlin.

16.1 Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich des § 264a HGB

 

Rz. 92

Da § 264a HGB nur für Personenhandelsgesellschaften gilt, bei denen nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, kann die Anwendung des § 264a HGB dadurch vermieden werden, dass ein Rechtsformwechsel in eine klassische Personengesellschaft mit mindestens einer voll haftenden natürlichen Person vorgenommen wird oder in eine GmbH & Co. KG ein neuer (ggf. vermögensloser) Gesellschafter hinzutritt, der die persönliche Haftung übernimmt. In einer solchen Gestaltung kann weder ein gesetzlicher Verstoß noch eine Sittenwidrigkeit nach den §§ 134, 138 BGB gesehen werden.

Wird allerdings in den Gesellschaftsvertrag zusätzlich die Regelung aufgenommen, dass der neue persönlich haftende Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist, kann sich dies im Einzelfall als Gläubigergefährdung darstellen.[1] Es wird daher auch die Meinung vertreten, dass die Offenlegungspflicht nach § 264a HGB auch dann anwendbar ist, wenn die Aufnahme einer vermögenslosen Person als persönlich haftender Gesellschafter offensichtlich nur dem Zweck dient, die Publizität zu vermeiden. Allerdings ist bei der Aufnahme eines vermögenslosen und erwerbsunfähigen Gesellschafters wohl von einem sittenwidrigen Umgehungstatbestand auszugehen.[2] Im Übrigen ist ein Ausschluss von der Geschäftsführung und der Vertretungsmacht, der gem. § 125 Abs. 4 HGB von sämtlichen Gesellschaftern zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden muss – im Gegensatz zu einer bloßen Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht –, auch Dritten gegenüber grundsätzlich wirksam.

"§ 264a Abs. 1 HGB enthält keine Regelung über den Beurteilungszeitpunkt für seine Anwendungsvoraussetzung. Da die Rechnungslegung jeweils für den Schluss des Geschäftsjahres erfolgt (§ 242 HGB), ist zur Prüfung der Anwendbarkeit des § 264a Abs. 1 HGB dieser Zeitpunkt maßgebend. Auch die Schwellenwerte der §§ 267 und 293 HGB, die Rechnungslegungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten begründen, stellen auf die Verhältnisse am Abschlussstichtag ab. Erfolgt der Eintritt einer natürlichen Person als persönlich haftender Gesellschafter erst nach dem Abschlussstichtag, so entfällt die Pflicht zur Anwendung der ergänzenden Vorschriften der §§ 264 bis 330 HGB ex nunc, da fortan nicht mehr das Bedürfnis besteht, die strengeren, für Kapitalgesellschaften geltenden Gläubigerschutzvorschriften anzuwenden. Ist zu diesem Zeitpunkt bspw. die Pflicht zur Prüfung oder Offenlegung eines vorangehenden Jahresabschlusses noch nicht erfüllt, entfällt sie zwar nicht rückwirkend, aber doch ex nunc auch mit Wirkung für den früheren Abschluss, sodass dessen Prüfung bzw. Offenlegung nicht mehr nachgeholt werden muss."[3]

 

Rz. 93

Ausreichend dürfte es sein, wenn der neue Gesellschafter als Vollhafter kurz vor dem Bilanzstichtag in die Gesellschaft eintritt, da die Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses jeweils mit Ablauf des Geschäftsjahres entsteht. Ist somit eine natürliche Person mit Wirkung zum Bilanzstichtag als Vollhafter der Gesellschaft beigetreten, können die Rechtsfolgen des § 264a HGB vermieden werden.[4] Noch nicht abschließend geklärt ist allerdings die Frage, welche Folgen eintre...

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