Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Verhältnis von §§ 16, 34 EStG zum Halbeinkünfteverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG bei der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns.
  2. Bei der Berechnung des Kürzungsbetrages für den Veräußerungsgewinn ist der nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerfreie Gewinn nicht zu berücksichtigen.
  3. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG ist vorrangig bei den voll steuerpflichtigen Einkünften (nach dem Halbeinkünfteverfahren) zu berücksichtigen.
  4. § 34 EStG i.V.m. § 16 Abs. 4 EStG zielt auf eine Meistbegünstigung des Stpfl. Diese würde durch eine Aufteilung des Freibetrages beeinträchtigt werden.
 

Normenkette

EStG §§ 16, 34

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen X R 61/08)

 

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung eines Freibetrages gem. § 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) im Jahr 2002.

Der Kläger, geb. 1942, erzielte im Streitjahr bei seiner Beteiligung an der DB GbR einen Veräußerungsgewinn in Höhe von € 191.xxx,xx, da aufgrund des Ausscheidens von Gesellschaftern die bis dahin bestehende Betriebsaufspaltung endete. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Veräußerungsgewinn nach Halbeinkünfteverfahren

€ 127.xxx,xx

Steuerfreier Teil beim Halbeinkünfteverfahren

€ - 63.xxx,xx

Steuerpflichtiger Teil Halbeinkünfteverfahren

€ 63.xxx,xx

Steuerpflichtiger Teil außerhalb des Halbeinkünfteverfahrens (T€ 191 ./. T€ 127)

T€ 63

Der Beklagte hat bei der Einkommensteuerveranlagung den Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG in Höhe von € 51.200 anteilsmäßig aufgeteilt, so dass statt eines Betrages von T€ 63 nur ein Betrag von 59,9424 v.H., d.h. T€ 38 der ermäßigten Besteuerung gem. § 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 EStG unterworfen wurde. Letztlich hat sich somit der Freibetrag nicht voll ausgewirkt. Der Einspruch gegen die Einkommensteueränderungsbescheide zuletzt vom 3. Januar 2006 wurde mit Einspruchsbescheid vom 5. Januar 2006 als unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kläger macht geltend, dass hinsichtlich des Freibetrages ein Wahlrecht bestehe. Er beantrage, dass der Freibetrag voll beim steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnanteil abgezogen werde. Eine Aufteilung habe nicht zu erfolgen. In der mündlichen Verhandlung führte der Klägervertreter aus, dass es keine gesetzliche Norm für die Aufteilung gebe. Das Halbeinkünfteverfahren stelle zudem keine steuerliche Vergünstigung, sondern nur eine Verteilung der Besteuerung auf zwei Steuerpflichtige dar.

Der Beklagte macht geltend, dass sich ein Wahlrecht bzgl. der Inanspruchnahme des streitigen Freibetrages nur auf die Inanspruchnahme für den gesamten Gewinn beziehe, nicht auf Teile dieses Betrages. Eine vorrangige Berücksichtigung des Freibetrages beim voll steuerpflichtigen Teil, stelle eine Doppelbegünstigung dar, da der andere Teil gem. § 34 Abs. 2 EStG bereits begünstigt besteuert werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass der streitige Freibetrag nicht aufzuteilen, sondern im vollen Umfang beim steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen ist.

a. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Veräußerung von Gesellschaftsbeteiligungen erzielt werden. Nach § 16 Abs. 4 EStG kann für Steuerpflichtige, die das 55. Lebensjahr vollendet oder im sozialversicherungsrechtlichem Sinne dauernd berufsunfähig sind, auf Antrag ein Veräußerungsgewinn nur herangezogen werden, soweit er 51.200 € übersteigt. Dieser Betrag ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 154.000 € übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 1, 3 EStG 2002). Gem. § 34 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 1 EStG können Veräußerungsgewinne i.S.d. § 16 EStG auf Antrag ermäßigt besteuert werden.

Unstreitig sind die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freibetrags gem. § 16 Abs. 4 EStG gegeben, da der Kläger das 55. Lebensjahr bereits überschritten hat. Auch die Gesamthöhe des Veräußerungsgewinns sowie die Aufteilung des Gewinns auf das Halbeinkünfteverfahren und den ermäßigt zu besteuernden Anteil ist vorliegend unstreitig. Zur Berechnung des Kürzungsbetrages für den Veräußerungsgewinn ist der nach dem Halbeinkünfteverfahren steuerfreie Gewinn nicht zu berücksichtigen (R 139 Abs. 13 S. 9 EStR 2003, Littmann/Bitz/Pust § 16 EStG, Rdn. 242). Somit erfolgt keine Kürzung des Freibetrags, da dieser nur T€ 127 beträgt, und damit unter der schädlichen Grenze liegt.

b. Die Finanzverwaltung geht in den Fällen, in denen im Veräußerungsergebnis ein auch dem Halbeinkünfteverfahren unterliegender Gewinn enthalten ist, davon aus, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG entsprechend den Anteilen der Gewinne, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG unterliegen, und der Gewinne, die im Halbeinkünfteverfahren zu besteuern sind, im Verhältnis zum Gesamtgewinn aufzuteilen ist (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) IV B 2–S 2242–18/05 vom 20. Dezember 2...

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