Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerfreiheit der Aufenthalte Jugendlicher auf einem Ferienbauernhof

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Das Merkmal „überwiegend Jugendliche für Erziehungszwecke bei sich aufnehmen” i. S. des § 4 Nr. 23 UStG ist nur dann erfüllt, wenn der Unternehmer bewusst oder planmäßig auf die aufgenommenen Personen erzieherisch einwirken will und einwirkt.
  2. Der Unternehmer muss die aus der Aufnahme zu den Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken folgenden Betreuungs- und Pflegeleistungen selbst erbringen.
  3. Ein Erziehungszweck entfällt nicht dadurch, dass die Erziehung in „Erholung” eingebettet oder mit ihr ununterscheidbar verquickt ist. Bei Jugendlichen dient auch die Freizeitgestaltung der Erziehung.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 23

 

Streitjahr(e)

1989

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.07.2008; Aktenzeichen V R 66/06)

 

Tatbestand

Streitig ist die Steuerpflicht der von der Klägerin erzielten Umsätze.

Die Klägerin betreibt jeweils in der Zeit von den Oster- bis zu den Herbstferien einen Ferienbauernhof mit der Bezeichnung X.

Nach dem Prospekt der Klägerin richtet sich dieser Ferienhof an BetreuerInnen von Schulen, Kindergärten und anderen Kindergruppen, alleinreisende Kinder und Kinder mit Eltern. Als Aktivitäten schildert dieser Prospekt u.a. die Pflege der Tiere, Reiten, Herstellung naturnaher Produkte und vollwertiger Lebensmittel, Ausflüge, Leben wie ein Indianer, Kennen lernen des Gartens, Gruppen- und Ballspiele usw. Bei Gruppenfahrten unterstützt die Klägerin die Betreuer bei der Planung und Durchführung der Freizeit, indem sie Programmpunkte wie Tierpflege, Backen, Longieren, Tonarbeiten usw. anbietet, die von ihr und ihren Mitarbeitern eigenverantwortlich durchgeführt werden. Falls gewünscht, übernimmt die Klägerin laut Prospekt die gesamte Betreuung alleine. In Ihrem Hausprospekt bietet die Klägerin einerseits Vollverpflegung und Vollbetreuung an (für alleinreisende Kinder und geschlossene Gruppen) sowie andererseits – um…DM im Preis reduziert – Vollverpflegung und Mithilfe bei der Betreuung von geschlossenen Gruppen.

Am 17.12.2000 gab die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung für 1999 ab, in der sie lediglich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 23 UStG i.H.v. ... DM erklärte.

Mit Schreiben vom 22.03.2001 teilte der Beklagte der Klägerin „unverbindlich” mit, die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG seien nicht erfüllt. Anschließend erließ der Beklagte am 11.05.2001 einen Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 1999, der auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestützt wurde. Darin sah der Beklagte die Umsätze der Klägerin als steuerpflichtig an. Zur Begründung verwies der Beklagte auf sein Schreiben vom 22.03.2001, wonach eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG nicht gewährt werden könne.

Aufgrund des hiergegen eingelegten Einspruchs führte der Beklagte eine betriebsnahe Veranlagung durch. Die Prüferin stellte dabei fest, die Klägerin habe zu 39 % alleinreisende Kinder und zu 61 % Schulklassen beherbergt. Das Durchschnittsalter der Kinder betrage 10 Jahre (Mindestalter 8 Jahre, Höchstalter 15 Jahre). Die Aufenthaltsdauer betrage bei alleinreisenden Kindern durchschnittlich 1 Woche (im Einzelfall aber auch bis zu 3 Wochen), bei Gruppen im Durchschnitt 5 Tage. Die Klägerin habe früher in einem Kinderhort gearbeitet, ohne hierfür eine Ausbildung absolviert zu haben; ihr Ehemann sei EDV-Berater. In der mündlichen Verhandlung bestätigte die Klägerin, dass sie selbst nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und ihr Ehemann ein Informatikstudium erfolgreich abgeschlossen habe.

Mit Schreiben vom 03.07.2001 erklärte die Klägerin, Kinder kämen entweder in den Ferien allein (ohne Eltern) wochenweise oder zwischen den Ferien in geschlossenen Gruppen aus Schulen und Kindergärten zur X. Bei den letztgenannten Gruppen würden die Kinder in der Regel von 2 Betreuerinnen begleitet, wobei der Aufenthalt zwischen 3 und 5 Tagen dauere. Alle Personen würden von der Klägerin voll beköstigt. Die durchschnittliche Gruppengröße betrage 20 Personen. In jedem Jahr gebe es auch kleinere Gruppen mit behinderten, psychisch oder körperlich kranken Kindern. In den letzten Jahren gehe die Tendenz zu Grundschulklassen. so dass die X mit Schullandheimen vergleichbar sei, denen die Steuerbefreiung gewährt werde. Die Klägerin leiste sogar mehr als Schullandheime, da sie auch Erziehungs- und Weiterbildungsarbeit leiste. Ferner stellte die Klägerin im Einzelnen dar, wie die Aufenthalte gestaltet würden und welche Erziehungsarbeiten sie dabei übernehme.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück, da Kinder und Jugendliche, die im Rahmen von Klassenfahrten, Kindergärten- und Jugendfreizeiten in Gruppen zu der Klägerin kämen, von den verantwortlichen Lehrern und Erziehern erzogen würden. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann verfüge über eine Ausbildung als Erzieher. Außerdem schließe die kurzfristige Aufnahme von im Durchschnitt 5 Tagen das Erreichen eines erzieherischen Erfolges aus. Nach Abschni...

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