Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ermäßigung des Einheitswertes für ein Wohngrundstück, wenn von einer benachbarten Windkraftanlage keine ungewöhnlich starken Beeinträchtigungen ausgehen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Liegen bei der Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren wertmindernde Umstände vor, die weder in der Höhe der Jahresrohmiete noch in der Höhe des Vervielfältigers berücksichtigt sind, so ist der Grundstückswert zu ermäßigen. Grundsätzlich sind alle Umstände objektiver Art zu berücksichtigen, die marktüblicherweise den Wert beeinflussen.

2. Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass Windkraftanlagen einen Abschlag nach § 82 BewG begründen können.

3. Übersteigen die von Windkraftanlagen ausgehenden Lärmbelästigungen nicht das permanente Rauschen einer in ca. 500 m Abstand vorbeiführenden Autobahn und ist das Grundstück dem Schattenwurf der Windkraftanlage allenfalls zwei Wochen im Jahr jeweils zwei Stunden ausgesetzt, so reichen die Belästigungen der Windkraftanlage für einen Abschlag gemäß § 82 BewG nicht aus.

 

Normenkette

BewG § 82

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.06.2006; Aktenzeichen II B 171/05)

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Einheitswert eines Wohngrundstücks gemäß § 82 Bewertungsgesetz zu ermäßigen ist, weil sich in der Nähe eine Windkraftanlage (WKA) befindet.

Der Kläger (Kl) ist Eigentümer eines eigengenutzten Zweifamilienhauses in H. Das Grundstück liegt am südlichen Ortsrand in einer Wohnsiedlung, und zwar in der – von Süden gesehen – zweiten Häuserreihe. Südlich des Ortes befinden sich landwirtschaftlich genutzte Felder, die zu einer kleinen Anhöhe ansteigen. Auf dieser Anhöhe wurde im Jahre 1999 eine WKA mit 3 Flügeln errichtet und in Betrieb genommen. Die Anlage hat eine Nabenhöhe von 60 m, einen Rotordurchmesser von 46 m und erreicht eine Nennleistung von 600 kW. Die Entfernung zwischen dem Wohnhaus des Kl und der WKA beträgt etwas mehr als 700 m. Wenig später - nach dem 01.01.2000 – wurde auf der Anhöhe eine weitere WKA errichtet, die etwa 900 m vom Grundstück des Kl entfernt liegt. Wegen der Einzelheiten der räumlichen Lage wird auf die Karte Bl. 23/1991 der EW-Akte Bezug genommen.

Der Hersteller der Anlagen hat den von den beiden WKAen ausgehenden Lärmpegel mit je 100 dB(A) errechnet. Nach einem Gutachten zur Schallimmissionsprognose beider Anlagen, das die Baugenehmigungsbehörde vor Erteilung der Baugenehmigung eingeholt hat, errechnet sich daraus bei einer angenommenen Windgeschwindigkeit von 8 m/s – es soll dies die Windgeschwindigkeit sein, bei der sich Geräusche am stärksten ausbreiten – für die den Anlagen am nächsten liegenden Grundstücke am Ortsrand eine Schallbelastung von 31,94 dB(A). Ein weiteres, ebenfalls von der Baugenehmigungsbehörde eingeholtes Gutachten kommt zu dem Schluss, dass - unter Berücksichtigung möglicher Prognoseungenauigkeiten - eine Erhöhung der errechneten Werte um 4 dB(A) nicht ausgeschlossen werden könne.

Der Beklagte (Finanzamt, FA) hat den Einheitswert (EW) für das Grundstück des Kl auf den 01.01.1991 im Ertragswertverfahren bestandskräftig auf 83.200 DM festgestellt. Mit Schriftsatz vom…beantragte der Kl unter Hinweis auf die von der WKA ausgehende „erhebliche Lärmbelästigung” und „Beeinträchtigung der Lebensqualität” einen Abschlag vom EW in Höhe von 40 v.H. Das FA lehnte den Antrag ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrt der Kl, wegen der von der WKA ausgehenden Belästigungen einen Abschlag vom EW gemäß § 82 BewG in Höhe von 30 v.H. vorzunehmen und auf den Stichtag 01.01.2000 eine entsprechende Wertfortschreibung durchzuführen. Er trägt vor:

Von der WKA würden vielfältige Belästigungen und wahrscheinlich sogar Gefahren ausgehen. An erster Stelle stehe die Lärmbelästigung. Die WKA erzeuge ein ständiges Brummen, manchmal auch ein schlagendes Geräusch, das insbesondere in den Ruhezeiten – nachts und zur Zeit der Mittagsruhe – besonders störe. Für ihn persönlich sei dieses Brummen unerträglich. Die Störung gehe so weit, dass er manchmal nicht einschlafen oder nicht weiterschlafen könne. Er sei gezwungen, sich Oropax in die Ohren zu stecken und die Fenster seines Schlafzimmers zusätzlich zu isolieren, aber selbst das helfe nicht befriedigend. Weiterhin trete zeitweilig Schattenwurf auf. Das sei insbesondere in den Wintermonaten der Fall, wenn die Sonne tief stehe. Die Beeinträchtigung durch Schattenwurf halte etwa 14 Tage lang an und könne sich auf bis zu 2 Stunden täglich erstrecken. Außerdem stelle die ständige Bewegung der Rotoren einen Unruhepol dar, der äußerst lästig sei. Die Drehbewegung werde in allen Glasflächen seines Hauses reflektiert und sei ständig zu sehen, ob man sich innerhalb oder außerhalb des Hauses befinde. Das gelte selbst dann, wenn man nicht in Richtung auf die WKA blicke. Ferner gingen von den Rotorblättern zeitweilig störende Reflexionen aus, der sogenannte „Diskoeffekt”. Dies werde durch die Reflexion der Sonnenstrahlen auf den Rotorblättern verursacht und sei besonders ...

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