Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines Auskunftsersuchens an ein Kreditinstitut zwecks Ermittlung aller Wertpapierverkäufe in einem Zeitraum von 1 1/2 Jahren bei Anhaltspunkten zur Annahme einer beträchtlichen Anzahl von Spekulationsgewinnen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist ein an ein Kreditinstitut gerichtetes Auskunftsersuchen dahingehend, alle Wertpapierverkäufe in der Zeit vom 01.05.1998 bis zum 31.12.1999 zu ermitteln, die auf Neuemissionen nach dem 30.10.1997 beruhten, grundsätzlich zulässig.
  2. Erlangt die Finanzbehörde aus allgemein zugänglichen Quellen (Zeitungsberichten, Börsenmitteilungen, Bankinformationen) Anhaltspunkte dafür, dass eine Vielzahl von Wertpapierverkäufen nach Kurssteigerungen zu einer beträchtlichen Anzahl von steuerpflichtigen Spekulationsgewinnen geführt haben, stellen die Ermittlungen keine unzulässigen Ausforschungsmaßnahmen i.S. einer Rasterfahndung oder von Ermittlungen "ins Blaue hinein" dar.
  3. Werden die Finanzbehörden nicht aufgrund eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen Bedienstete des Kreditinstitutes tätig, sondern fordern sie von diesem zielgerichtet konkrete Auskünfte zu steuerlichen Sachverhalten, handelt es sich um ein Auskunftsersuchen, für das lediglich ein hinreichender Anlass erforderlich ist, der eine Erhebung der verlangten Daten für eine materiell richtige Besteuerung notwendig erscheinen lässt.
  4. Ein derartiger Anlass ist nicht erst dann gegeben, wenn ein begründeter Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche Unregelmäßigkeiten vorliegen, vielmehr genügt es, wenn aufgrund konkreter Momente oder aufgrund allgemeiner Erfahrung ein Auskunftsersuchen angezeigt ist.
 

Normenkette

AO § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 30a Abs. 2-3; FGO § 114 Abs. 5

 

Tatbestand

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner zu untersagen, von ihm im Rahmen eines Auskunftsersuchens gesichtete Unterlagen auszuwerten und Kontrollmitteilungen über diese Vorgänge an die Wohnsitzfinanzämter der betroffenen Kunden zu versenden.

Der Antragsgegner richtete am 11.10.2000 ein Auskunftsersuchen an die Antragstellerin zum Zwecke der Ermittlung unbekannter Steuerfälle mit dem Ziel der Aufdeckung von steuerpflichtigen Einkünften aufgrund von Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren. Vor Erlass des Verwaltungsaktes erfolgte am 10.10.2000 im Hause der Antragstellerin eine Vorbesprechung. Im Rahmen dieses Gesprächs begründete der Antragsgegner seinen Ermittlungsansatz damit, dass bekannt geworden sei, dass eine Vielzahl von Kunden verstärkt Aktien und Fondanteile von Kapitalgesellschaften der sog. „Neuen Märkte” erworben und zeitnah wieder veräußert hätten. Auslöser seien die zahlreichen Neuemissionen mit der Erwartung eines hohen Wertzuwachses. Die erheblichen Kursgewinne hätte sodann zu kurzfristigen Verkäufen geführt. Dabei sei aus bankinternen Informationen bekannt, dass für den Bereich der Antragstellerin im Mai 1998 ein ganz erheblicher Kaufboom eingesetzt habe.

Aus den bisherigen Erfahrungen sei zudem bekannt, dass im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen Eintragungen zu Spekulationsgewinnen auf der Rückseite der Anlage KSO eher selten seien, vielfach eine Anlage KSO mit dem Hinweis auf Zinserträge unterhalb des Sparerfreibetrages gar nicht abgegeben würde.

Um diese steuerpflichtigen, nicht erklärten Spekulationsgewinne ermitteln zu können, solle das Verfahren einerseits zunächst auf Veräußerungsgeschäfte für in- und ausländische Aktien und Fondanteile beschränkt werden, soweit der Verkauf in der Zeit vom 01.05.1998 bis zum 31.12.1999 erfolgt sei und die Neuemissionen nach dem 30.10.1997 betreffe. Dabei solle eine Begrenzung auf diejenigen Kunden erfolgen, die tatsächlichen einen Spekulationsgewinn erzielt hätten und dieser mehr als 1.000 DM betragen habe.

Dementsprechend übermittelte der Antragsgegner der Antragstellerin am 11.10.2000 ein auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 93 AO gestütztes Auskunftsersuchen mit der Aufforderung:

„Einsicht in folgende Unterlagen zu gewähren:

1.) In sämtliche Wertpapierabrechnungen und Orderaufträge über Veräußerungsgeschäfte für in- und ausländische Aktien und Fondanteile von Kunden für die Zeit vom 01.05.1998 bis zum 31.12.1999, soweit er die sogenannten „Neuen Märkte” (Neuemissionen nach dem 30.10.1997) betrifft,

2.) in sämtliche Wertpapierabrechnungen und Orderaufträge über Kaufgeschäfte, die sich auf die unter 1.) festgestellten Veräußerungsgeschäfte beziehen,

3.) in sämtliche Depots, die sich auf die unter 1.) festgestellten Veräußerungsgeschäfte beziehen, begrenzt auf die Buchungen, die in Verbindung mit den unter 2.) bezeichneten Kaufgeschäften stehen.

Weiterhin bitte ich Auskunft zu geben, wer in diesen Geschäftsvorfällen Inhaber der dabei angesprochenen Konten ist. Dabei bitte ich den Namen, Vornamen, ggf. die Firmenbezeichnung, die Anschrift und bei natürlichen Personen das Geburtsdatum anzugeben, soweit sich diese Angaben nicht bereits aus den o. g. Bele...

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