1.4.1 Abgeltungswirkung

Der Behinderten-Pauschbetrag entspricht lediglich den Mindestaufwendungen, die nach der Lebenserfahrung entsprechend der Art und Schwere der Behinderung zusätzlich anfallen. Der Pauschbetrag soll die unmittelbar infolge der Behinderung entstehenden laufenden und typischen außergewöhnlichen Belastungen abdecken. Nur für diese Aufwendungen wird der Pauschbetrag statt eines Abzugs als außergewöhnliche Belastung gewährt. Wird insoweit der Pauschbetrag geltend gemacht, scheidet folglich eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG aus.

Nicht laufende und untypische Mehraufwendungen (z. B. Operationskosten) sind dagegen durch den Pauschbetrag nicht abgegolten und können auf Antrag nach § 33 EStG neben dem Pauschbetrag als allgemeine außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden.[1] Dasselbe gilt für die mittelbar behinderungsbedingten Aufwendungen, und zwar auch, wenn sie laufend oder typisch sind.

§ 33b Abs. 1 Satz 1 EStG konkretisiert den mit dem Pauschbetrag abgegoltenen typischen Mehraufwand. Darunter fallen Aufwendungen:

  • für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens
  • für die Pflege sowie
  • für einen erhöhten Wäschebedarf.

Alle übrigen behinderungsbedingten Aufwendungen werden von der Typisierung nicht erfasst und sind mit der Pauschalierung nicht abgegolten. Sie können daher daneben als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, z. B. Kosten einer Operation, für Heilbehandlungen, Kuren, Medikamente, Ärzte, Fahrtkosten usw.[2]

1.4.2 Pauschbetrag oder Abzug als außergewöhnliche Belastung

Der Pauschbetrag dient der Verwaltungsvereinfachung und wird ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Er soll dem Steuerpflichtigen das kleinliche Sammeln von Belegen und dem Finanzamt deren Nachprüfung ersparen. Stattdessen kann der Mensch mit Behinderung aber auch sämtliche Mehraufwendungen, die ihm aufgrund seiner Behinderung entstehen, unter dem Gesichtspunkt der Krankheitskosten als allgemeine außergewöhnliche Belastung i. S. v. § 33 EStG geltend machen. Die Aufwendungen sind dann im Einzelnen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Sie mindern sich allerdings um die zumutbare Belastung.[1] Ferner sind gegenzurechnen die Kostenersparnisse aufgrund von Erstattungen vonseiten Dritter, z. B. erhaltene Leistungen einer Krankenversicherung oder Krankheitsbeihilfen des Arbeitgebers.[2]

Steuerpflichtige Menschen mit Behinderung können daher in jedem Veranlagungszeitraum für die unmittelbar infolge der ­Behinderung entstandenen Aufwendungen, d. h. innerhalb der Abgeltungswirkung des Pauschbetrags, zwischen dem Abzug des Pauschbetrags oder der Geltendmachung der infolge der Behinderung entstandenen Aufwendungen als allgemeine außergewöhnliche Belastung im Rahmen des § 33 EStG wählen.[3] Das Wahlrecht gilt auch für den erhöhten Pauschbetrag wegen Hilflosigkeit oder Blindheit von 7.400 EUR.

 
Wichtig

Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen nur in bestimmten Fällen vorteilhaft

Die Geltendmachung der vom Pauschbetrag erfassten Aufwendungen als allgemeine außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG ist nur vorteilhaft, wenn die einzeln nachgewiesenen Aufwendungen nach Abzug etwaiger Erstattungen und der zumutbaren Belastung den Behinderten-Pauschbetrag übersteigen und sich dadurch ein höherer abziehbarer Betrag ergibt. Entsprechendes gilt für die Aufwendungen für ein Kind mit Behinderung nach Übertragung des Pauschbetrags auf die Eltern.

Das Wahlrecht kann im jeweiligen VZ für alle mit dem Pauschbetrag abgegoltenen Aufwendungen nur einheitlich ausgeübt werden.[4] Ein teilweiser Verzicht ist nicht möglich. Es ist daher nicht zulässig, z. B. die Pflegekosten nach § 33 EStG und für den erhöhten Wäschebedarf den Pauschbetrag zu beanspruchen. Das Wahlrecht kann in jedem VZ erneut ausgeübt werden.

 
Wichtig

Zumutbare Belastung bei Krankheitskosten: Keine vorläufigen Veranlagungen mehr

Der nach Familienstand und Kinderzahl gestaffelte Ansatz einer zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist nach der Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange dem Steuerpflichtigen ein verfügbares Einkommen verbleibt, das über dem geltenden Regelsatz für das Existenzminimum liegt.[5] Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wurden Veranlagungen hinsichtlich des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei Aufwendungen für Krankheit oder Pflege jedoch nur vorläufig durchgeführt.[6] Nachdem das BVerfG die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile VI R 32/13[7] und VIII R 52/13[8] nicht angenommen hatte[9], hat sich die Problematik für die Praxis allerdings erledigt. Anhängige Einsprüche sollten daher jetzt zurückgenommen werden.[10]

Die Berücksichtigung als allgemeine außergewöhnliche Belastung setzt einen Antrag voraus. Liegen die Voraussetzungen für den Pauschbetrag vor, ist dieser jedenfalls als Mindestbetrag zu gewähren, falls die nach § 33 EStG zu berücksichtigenden Aufwendungen nach Kürzung um die zumutbare B...

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