Leitsatz

Medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des praktischen Arztes durchgeführt werden, der sie angeordnet hat, können nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG steuerfrei sein.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2009 ein medizinisches Labor. Die Klägerin untersuchte biologisches Probenmaterial (Blutproben oder Serum), das ihr von Ärzten und Heilpraktikern zugesandt wurde. Sie untersuchte diese Proben labortechnisch zur Bestimmung von IgG-Antikörpern beim Nachweis von Nahrungsmittelallergien. Krankheitsbilder, bei denen Therapeuten in Absprache mit den Patienten den Test einsetzten, waren chronische Magen-Darm-Probleme, chronische Hautprobleme, chronische Schmerzen, rheumatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizite, Atemwegsbeschwerden und chronisches Übergewicht. Ihre Aufträge erhielt die Klägerin von den jeweiligen Patienten, gegenüber denen sie ihre Leistungen auch abrechnete. Die Klägerin beschäftigte in ihrem Labor durchschnittlich vier Arbeitnehmer, von denen zwei die Berufsausbildung zur technischen Assistentin in der Medizin hatten. Die "Befundung" der Laborergebnisse wurde seitens der Klägerin durch einen Doktor der Biologie und einen Doktor der Chemie vorgenommen. Das Labor stand unter Leitung eines Allgemeinmediziners, der die Analytik der Testverfahren und auffällige Befunde kontrollierte.

Das FA ging davon aus, dass die Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien, und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid, der im Einspruchsverfahren geändert wurde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das FG der Klage statt, da die Voraussetzungen § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfüllt seien (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.9.2015, 16 K 340/12, EFG 2016, 1825).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies die Sache an das FG zurück. Das FG habe bei seinem Urteil nicht hinreichend berücksichtigt, dass medizinische Analysen, die außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt wurden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG, nicht aber auch nach Buchst. a dieser Vorschrift steuerfrei sind. Das FG habe im zweiten Rechtsgang § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. bb UStG zu prüfen und in diese Prüfung auch eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit dieser Vorschrift einzubeziehen. Eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG komme demgegenüber aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht in Betracht.

 

Hinweis

1. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit die "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden". Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Steuerfrei sind danach "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden".

§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG befreit "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden". Nach Satz 2 Doppelbuchst. bb sind diese Leistungen auch steuerfrei, wenn sie von Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 SGB V gelten, erbracht werden. Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Steuerfrei sind danach "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden".

2. Die Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG sind voneinander abzugrenzen. Wie sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10189, S. 74) ergibt, bezweckte der nationale Gesetzgeber ausdrücklich eine Anpassung an die unionsrechtliche Systematik:

Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der beiden Befreiungstatbest­ände in Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b und c MwStSystRL ist dabei weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. So sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL die Leistungen zu befreien, die aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung wie der des Schutzes der menschlic...

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