Leitsatz

1. Bei Nachentrichtung hinterzogener Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung führt die Nachzahlung als solche zum Zufluss eines zusätzlichen geldwerten Vorteils (Fortentwicklung der Rechtsprechung).

2. Bei Vereinbarung sog. Schwarzlöhne kommt der Schutzfunktion der Verschiebung der Beitragslast gem. § 28g SGB IV grundsätzlich kein Vorrang gegenüber dem objektiv bestehenden Zusammenhang der Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile mit dem Arbeitsverhältnis zu.

3. Dem Lohnzufluss steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber beim Arbeitnehmer gem. § 28g SGB IV keinen Rückgriff mehr nehmen kann.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 28g SGB IV

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, zahlte von 1988 bis 1993 zusätzliche Löhne ohne LSt-Abzug bzw. zu Unrecht pauschal versteuert aus und führte hierfür auch keine Sozialversicherungsbeiträge ab. Letzteres holte die Klägerin 1996 nach.

Anlässlich einer 1999 durchgeführten LSt-Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils der entrichteten Sozialversicherungsbeiträge bei den Arbeitnehmern keinen Rückgriff genommen hatte. Hierin sah das FA einen Lohnzufluss und nahm die Klägerin deshalb in Haftung.

Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2004, 112).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Die Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile stelle einen zusätzlichen geldwerten Vorteil dar. Dieser liege aber noch nicht in der endgültigen Befreiung des Arbeitnehmers von der sozialversicherungsrechtlichen Beitragslast.

Die versicherungsrechtliche Schutzfunktion verdränge auch nicht den Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Der geldwerte Vorteil sei auch erst bei der tatsächlichen Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile zugeflossen. Der Zeitpunkt der Beitragslastverschiebung sei unerheblich.

 

Hinweis

1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zum Arbeitslohn alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist (std. Rechtsprechung).

2. Die Frage, ob die Nachentrichtung von Arbeitnehmeranteilen zur Gesamtsozialversicherung durch den Arbeitgeber bei Schwarzlohnzahlungen Arbeitslohn darstellt, hatte der BFH bereits in seinen Urteilen von 20.10.1993, VI R 4/87 (BStBl II 1994, 194) und vom 21.02.1992, VI R 41/88 (BStBl II 1992, 443) bejaht. Mit der vorliegenden Besprechungsentscheidung hat der BFH diese Rechtsprechung zwar im Ergebnis bestätigt, in der Begründung die Akzente jedoch anders gesetzt.

3. Dass die steuerliche Behandlung der Nachentrichtung der genannten Arbeitnehmeranteile durch den Arbeitgeber (z.B. wegen Beitragshinterziehung) nicht unerhebliche dogmatische Schwierigkeiten bereitet, hängt mit den Besonderheiten der sozialversicherungsrechtlichen Beitragslast zusammen. Nach § 28g Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Gegen den Arbeitnehmer hat er allerdings einen Anspruch auf Tragung des Arbeitnehmeranteils. Indessen darf ein beim Arbeitnehmer unterbliebener Abzug nur bei den nächsten drei Lohnzahlungen nachgeholt werden (§ 28g SGB IV), wenn der Abzug schuldhaft unterlassen worden ist. Bei Schwarzlohnzahlungen ist diese Frist jedoch regelmäßig abgelaufen, ein Rückgriff beim Arbeitnehmer nicht mehr möglich. Die Beitragslast hinsichtlich des Arbeitnehmeranteils geht kraft Gesetz auf den Arbeitgeber über. Insofern lag es nicht fern zu fragen, worin die Bereicherung des Arbeitnehmers zu sehen ist, zumal bei Leistungen des Arbeitgebers kraft öffentlicher Verpflichtung regelmäßig Lohn ausscheidet.

4. In der Entscheidung in BStBl II 1994, 194 hatte der VI. Senat einen Vorteil in Gestalt der Beitragsnachzahlung noch mit der Begründung verneint, dass der Arbeitgeber bei der Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile rechtlich wie wirtschaftlich eine originär eigene Verbindlichkeit erfülle. Eine Bereicherung hatte der BFH indessen darin gesehen, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der genannten Frist endgültig von der sozialversicherungsrechtlichen Beitragslast befreit und damit seine Vermögenssituation verbessert wird. Diese Argumentation hat der BFH aufgegeben. Nach seiner Ansicht verschafft die Nachentrichtung der Arbeitnehmeranteile in gleicher Weise einen Vorteil wie bei einem ordnungsgemäßen Beitragsabzug. Eine Privilegierung gesetzwidrigen Verhaltens (wie hier bei Schwarzlohnzahlungen) aufgrund der kurzen Fristbestimmung des § 28g SGB IV scheidet aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.09.2007, VI R 54/03

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