Leitsatz

1. Die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung müssen mehrwertsteuerlich grundsätzlich als eigene und selbstständige Dienstleistungen behandelt werden. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die betreffenden Umsätze in Anbetracht der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens derart miteinander verbunden sind, dass sie als einheitliche Leistung angesehen werden müssen, oder ob sie im Gegenteil selbstständige Leistungen darstellen.

2. Wenn der Leasinggeber das Leasingobjekt selbst versichert und die genauen Kosten der Versicherung an den Leasingnehmer weiterberechnet, ist ein solcher Umsatz unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Versicherungsumsatz im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 11, § 4 Nr. 10 und Nr. 11 UStG, Art. 28 und 135 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2006/112/­EG (MwStSystRl)

 

Sachverhalt

BG2 ist eine Leasinggesellschaft. Die Leasingnehmer sind während der Dauer des Vertrages für das Leasingobjekt verantwortlich; insbes. für den Verlust, für Schäden sowie für Wertminderungen, mit Ausnahme derjenigen, die auf seine normale Nutzung zurückzuführen sind. Daher müssen sie das Objekt versichern. Diese Versicherung können sie bei BG2 abschließen.

 

Entscheidung

Die wesentlichen Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Der EuGH teilte auch nicht die Zweifel des vorlegenden Gerichts an der Beurteilung der Steuerfreiheit der Versicherung. Warum der Umstand, dass sich BG2 selbst bei einer Versicherung rückversicherte und ihrem Kunden, dem Leasingnehmer, für die von ihr, BG2, im eigenen Namen angebotene Versicherung (nur) ihre eigenen (Rück-) Versicherungskosten in Rechnung stellte, der Steuerfreiheit der Versicherungsleistung entgegenstehen könnte, ist schwer nachvollziehbar.

 

Hinweis

1. Ein Leasingnehmer haftet i.d.R. während der Vertragsdauer für alle Beeinträchtigungen des Leasingobjekts, nicht dagegen für die durch die vertragstypische Nutzung entstehenden Wertminderungen. Ein polnisches Gericht hatte Zweifel, ob in einem Fall, wenn der Leasinggeber eine – fakultative – eigene Versicherung für Schäden am Leasinggut anbietet, sich dann ggf. seinerseits bei einer Versicherung rückversichert, die Versicherung eine Nebenleistung zum Leasingvertrag sei.

2. Die Grundsätze zur Beurteilung, ob mehrere Leistungen eines Unternehmers als selbstständig oder als eine einheitliche Leistung zu beurteilen sind, sind durch den EuGH geklärt. Zweifel waren aufgekommen durch die Entscheidung Tellmer Property, in der der EuGH maßgeblich darauf abgestellt hatte, dass die Leistungen des Unternehmers (Vermietung von Wohnungen und Reinigung der Gemeinschaftsflächen) auch unabhängig voneinander bestehen könnten. Dass das nicht so absolut für alle Fälle der einheitlichen Leistung zu verstehen sein konnte, lag auf der Hand. Insoweit hat er diese Aussage nun – zu Recht – wieder relativiert.

3.Es sind die charakteristischen Merkmale des betreffenden Umsatzes zu ermitteln. Es gibt – wie der EuGH erneut betont – für die Bestimmung des Umfangs einer Leistung aus mehrwertsteuerlicher Sicht keine Regel mit absoluter Geltung. Alle Gesichtspunkte (wie z.B. einheitlicher Vertrag, getrennter Preis etc.) fließen mit unterschiedlicher Gewichtung in eine aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers durchzuführende Gesamtwürdigung ein. Ist von zwei Leistungen die eine nicht – i.S. einer Nebenleistung – lediglich dienend oder abrundend für die Hauptleistung und ist sie (wie z.B. eine fakultativ vom Leasinggeber angebotene Versicherung) deswegen auch nicht so eng mit der anderen Leistung verbunden, dass die selbstständige Beurteilung wirklichkeitsfremd wäre, verbleibt es beim Grundsatz, dass jede Leistung für sich zu beurteilen ist.

4. Der EuGH betont stets – auch im Besprechungsurteil, aber offenbar vergeblich –, die Beurteilung im Einzelfall obliege den nationalen Gerichten. Die Frage, ob in einem bestimmten Fall mehrere formal eigenständige Leistungen eines Unternehmers gleichwohl als eine einzige Leistung zu beurteilen sind, dürfte jedenfalls, isoliert betrachtet, keine EuGH-Vorlage mehr rechtfertigen. Denn die Grundsätze für diese Abgrenzung sind durch den EuGH nunmehr geklärt. Nimmt der EuGH gleichwohl dazu Stellung, stellt sich die Frage der Bindung der Gerichte der Mitgliedstaaten an die einzelfallbezogenen Aussagen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 17.1.2013 – C-224/11BG2 Leasing Sp.

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