Rz. 110

Neben den in § 296 Abs. 1 HGB genannten 3 sachlich begründeten Einbeziehungswahlrechten bei der Abgrenzung des Konsolidierungskreises hat ein Mutterunternehmen gem. § 296 Abs. 2 HGB außerdem die Möglichkeit, auf die Einbeziehung eines Tochterunternehmens zu verzichten, wenn es für die Verpflichtung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln, von untergeordneter Bedeutung ist. Wenn dies auf mehrere Tochterunternehmen zutrifft, darf gem. Satz 2 ihre untergeordnete Bedeutung nur zusammengefasst beurteilt werden, was einem 2-stufigen Testverfahren entspricht. Zunächst ist das für sich unwesentliche Tochterunternehmen zu identifizieren und im 2. Schritt ist zu prüfen, ob alle für sich als unwesentlich eingestuften Tochterunternehmen in ihrer Gesamtheit für den Konzernabschluss unwesentlich sind. Zur Klassifikation des Begriffs untergeordnete Bedeutung enthält das Gesetz weder Kenngrößen noch numerische Grenzwerte. In der Praxis ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei das Gesamtbild aller Umstände und nicht nur einzelne Verhältniszahlen die Beurteilungsgrundlage bilden (DRS 19.105). Bei im Wesentlichen konstanter wirtschaftlicher Situation dürfte allerdings nicht zu beanstanden sein, wenn eine Konzernleitung zur Vereinfachung der Konzernrechnungslegung im Rahmen eines Ermessensspielraumes in Einzelfällen feste Größenkriterien anwendet, wobei das Kriterium der Unwesentlichkeit bei einem Anteil von mehr als 5 % am Gesamtkonzern kaum zu begründen sein wird. Starre Kennzahlen – wie sie etwa auch in der US-amerikanischen Bilanzierungspraxis gebräuchlich sind – sind nach überwiegender Meinung nicht mit der gesetzlichen Regelung in Deutschland zu vereinbaren. So wird aufgeführt, dass dies der im Gesetz vorgesehenen flexiblen Regelung widerspricht und zu Zufallsergebnissen führen kann. Insbesondere mangels alternativer operationaler Ermittlungsmethoden und unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen plädieren einige Stimmen in der Literatur aber auch gegen die starre und ablehnende Haltung gegenüber der Verwendung von Verhältniszahlen im Allgemeinen. Wägt man die beiden gegensätzlichen Meinungsbilder gegeneinander ab, erscheint die Verwendung von Verhältniszahlen zumindest in Einzelfällen und unter Berücksichtigung der Problemfelder starrer Kenngrößen dann unproblematisch, wenn diese durch eine qualitative Beurteilung ergänzt wird. Die Voraussetzungen für eine untergeordnete Bedeutung sind von der Konzernleitung unabhängig von den Prüfkriterien für jeden Konzernabschluss erneut zu prüfen.[1]

 

Rz. 111

Die Einbeziehung eines Tochterunternehmens kann trotz niedriger anderer relativer Größenmerkmale insbesondere gegeben sein, wenn ein Verzicht auf die Einbeziehung mit der fehlenden Eliminierung bedeutender Zwischenergebnisse einhergeht, Tochterunternehmen das Konzernergebnis mit strukturellen Verlusten belasten und ständige Zuflüsse notwendig machen sowie eine Abbildung wesentlicher Verpflichtungen oder Risiken ansonsten unterbleiben würde. DRS 19.104 führt als exemplarische Aspekte auf

  • Verhinderung eines Verlustausweises,
  • Darstellung eines "Turnaround",
  • mögliche Einflüsse auf die (erfolgsabhängige) Vergütung von Führungskräften,
  • Einflüsse auf Kreditvereinbarungen,
  • Einstieg in ungewöhnliche oder besonders risikoreiche Geschäftsbereiche.

Die Wahrnehmung unternehmenstypischer Funktionen durch ein Tochterunternehmen begründet dagegen keine zwingende Einbeziehung in den Konzernabschluss im Wege der Vollkonsolidierung, da der Jahresabschluss nicht als Ausdruck der Ausübung bestimmter Leitungs- und Verwaltungsfunktionen betrachtet werden kann und deshalb nicht zwingend Gegenstand der Konsolidierung sein muss.

 

Rz. 112

Sind mehrere Tochterunternehmen von untergeordneter Bedeutung, darf ihre Wesentlichkeit gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 HGB nur zusammengefasst beurteilt werden, was einem 2-stufigen Testverfahren entspricht. Eine Befreiung unter Bezug auf die untergeordnete Bedeutung eines Tochterunternehmens setzt im Falle des gleichzeitigen Vorliegens der Befreiungsvoraussetzung bei mehreren Tochterunternehmen demnach eine Prüfung der Befreiungsbedingungen in ihrer Gesamtheit voraus. Sind die Tochterunternehmen isoliert betrachtet unbedeutend, ist ihr Einfluss auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage insgesamt jedoch wesentlich, sind diese grundsätzlich in den Vollkonsolidierungskreis einzubeziehen.[2] Fraglich ist in diesem Zusammenhang, inwieweit die Konzernleitung dazu berechtigt ist, diejenigen Tochterunternehmen aus dem Kreis der einzelnen Unbedeutenden auszuwählen, die nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden sollen. Auch bei der Gesamtbetrachtung bildet das umfassende Bild aller Umstände die Beurteilungsgrundlage für die Prüfung auf untergeordnete Bedeutung. Die Beurteilung der Wesentlichkeit eines Tochterunternehmens, das selbst Mutterunternehmen i. S. v. § 290 HGB ist, erfordert zudem die Berücksichtigung aller seiner Enk...

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