Leitsatz

Sind Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen, sondern zu Unrecht als Herstellungskosten erfasst worden, kann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 bzw. nach§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG der Abzug nicht in späteren Veranlagungszeiträumen nachgeholt werden.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, § 11 EStG

 

Sachverhalt

Ein im Jahr 1997 verstorbener Rechtsanwalt (R) und seine Ehefrau (Klägerin) waren zu je 1/2 Miteigentümer eines Einfamilienhauses. Im Jahr 1994 errichteten die Ehegatten einen Anbau und vermieteten diesen umsatzsteuerpflichtig an die Anwaltskanzlei des R. R hielt seinen Miteigentumsanteil im Betriebsvermögen der Anwaltskanzlei.

Bei der Veranlagung für 1994 unterließen es die Eheleute, die auf den Anbau entfallende Vorsteuer als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit bzw. als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen.

Die AfA für den Anbau ermittelten sie bei den jeweiligen Einkunftsarten aus den Brutto-Herstellungskosten. Der Einkommensteuerbescheid 1994 wurde bestandskräftig.

Bei der Erstellung der ESt-Erklärung für 1995 erkannte der Steuerberater, dass die AfA von den Netto-Herstellungskosten vorgenommen werden muss. Zur Korrektur der AfA-Bemessungsgrundlage nahm er deshalb "Sonderabschreibungen" jeweils in Höhe des halben Vorsteuerbetrags vor. Das FA ließ die erklärten "Sonderabschreibungen" nicht zum Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu. Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Die abziehbare Vorsteuer gehört nach § 9b Abs. 1 EStG nicht zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Die gezahlte Vorsteuer ist deshalb im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgabe und bei den Überschusseinkünften i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG als Werbungskosten abzuziehen. Der Abzug solcher Ausgaben ist nach § 11 Abs. 2 EStG in dem Kalenderjahr vorzunehmen, in dem sie geleistet worden sind. Aus dieser Regelung ergibt sich gleichzeitig, dass Ausgaben, die im Jahr der Verausgabung nicht abgezogen worden sind, nicht in einem späteren Jahr abgezogen werden dürfen.

Der BFH hat im Streitfall, in dem die Kläger irrtümlicherweise Vorsteuer als Herstellungskosten erfasst hatten, keine andere Möglichkeit zur "Fehlerkorrektur" im Folgejahr gesehen.

2. Eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG scheidet aus, weil diese den Eintritt einer dauernden Wertminderung voraussetzt (BFH, Urteil vom 5.5.2004, XI R 43/03, BFH/NV 2005, 22). Zudem kommt nach der Rechtsprechung des BFH bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (wie auch bei der Überschussermittlung) eine Teilwertabschreibung ohnehin nicht in Betracht (BFH, Urteil vom 8.10.1987, IV R 56/85, BStBl II 1988, 440).

3. Eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG beruht auf den Besonderheiten der bilanziellen Gewinnermittlung, die über den Bilanzzusammenhang einen Fehlerausgleich erlaubt. Sie ist deshalb in Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht möglich. Bei dieser Gewinnermittlungsform besteht auch kein dem Bilanzzusammenhang vergleichbarer Wertzusammenhang für Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Weg der AfA zu verteilen sind.

4. Obwohl danach für den hier vorliegenden Sachverhalt die verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden zu unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen, sieht der BFH den Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit (Totalgewinnidentität) nicht als verletzt an.

Dieser Grundsatz setzt nämlich voraus, dass auch die Regeln der jeweiligen Ermittlungsmethode beachtet werden. Dies ist im Streitfall aber gerade nicht geschehen (s. oben unter 1.).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05

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