Verschiedene DBA, wie z. B. Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz, enthalten auch ergänzende Sonderregelungen für eine Doppelansässigkeit.

In den Fällen, in denen natürliche Personen nach den in Abs. 2 genannten Kriterien als in der Schweiz ansässig gelten und in Deutschland ebenso auf Grund einer ständigen Wohnstätte oder eines gewöhnlichen Aufenthalts von mindestens 6 Monaten im Kalenderjahr die Voraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht erfüllen, wird Deutschland neben dem schweizerischen Besteuerungsrecht ein weiteres ergänzendes Besteuerungsrecht zugebilligt (sog. "konkurrierende", "überlagernde" oder "überdachende" Besteuerung).

 
Hinweis

Überlagernde Besteuerung im Doppelansässigkeitsfall

Art. 4 Abs. 3 DBA Schweiz lässt die Besteuerung in der Schweiz unberührt: Die Person ist der unbeschränkten schweizerischen Steuerpflicht unterworfen, und die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland bleibt bei der schweizerischen Besteuerung unberücksichtigt. Die Beschränkungen des schweizerischen Besteuerungsrechts nach den Art. 6 – 22 werden dabei bei der schweizerischen Besteuerung berücksichtigt; zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Schweiz wird Art. 24 Abs. 2 DBA Schweiz angewandt.

Die Doppelbesteuerung der natürlichen Personen infolge eines Doppelwohnsitzes wird bei dieser überdachenden Besteuerung in Deutschland zwar durch Freistellung bestimmter Einkünfte oder auch durch Anrechnung der schweizerischen Steuer in Deutschland vermieden. Soweit die Anrechnung angewendet wird, findet im wirtschaftlichen Ergebnis jedoch eine Hochschleusung auf die höhere deutsche Steuerbelastung statt.

In Fällen der überlagernden Besteuerung ist somit wie folgt vorzugehen:

 

1. Stufe:

Ansatz aller Einkünfte (Welteinkommen) im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland, als wenn kein DBA bestehen würde.[1]

 

2. Stufe

Freistellung unter Progressionsvorbehalt der aus der Schweiz stammenden und in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 DBA/Schweiz genannten Einkünfte[2]:

  • Einkünfte aus aktiver Betriebsstättentätigkeit inkl. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen sowie Gewinne aus der Veräußerung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens, sofern diese Betriebsstättenvermögen sind[3];
  • Einkünfte aus freien Berufen oder sonstiger selbstständiger Tätigkeit inkl. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen sowie Gewinne aus der Veräußerung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens, sofern dies der Ausübung eines freien Berufs dient und einer festen Einrichtung in der Schweiz zuzurechnen ist[4];
  • Vergütungen aus einer Arbeitsausübung in der Schweiz[5]; für Arbeitnehmer mit ausschließlich Einkünften aus Arbeitslohn in der Schweiz unbeachtlich.
 

3. Stufe:

Anrechnung der schweizerischen Steuer im Rahmen des § 34 c EStG bei allen anderen aus der Schweiz stammenden Einkünften (Art. 4 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz).

 

4. Stufe:

"Beschränkte" Anrechnung der schweizerischen Steuern auf die übrigen Einkünfte und Vermögenswerte:

Bedeutung für Arbeitnehmerfälle

Aufgrund der Freistellung schweizerischen Arbeitslohns in der 2. Stufe der Prüfung ist damit die überlagernde Besteuerung im Regelfall unproblematisch.

Folgende Fallgruppen führen jedoch zu einer deutschen Steuerbelastung

  • Drittstaateneinkünfte
  • Inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen
 
Praxis-Beispiel

Überlagernde Besteuerung bei Doppelansässigkeit

K hat sowohl eine Wohnstätte in der Schweiz als auch in Deutschland. Das Finanzamt erkennt aufgrund der engeren Beziehungen zur Schweiz die Schweizer Wohnung als Mittelpunkt der Lebensinteressen an.

K hat aber folgende Einkünfte:

 
a) Arbeitslohn aus der Tätigkeit in der Schweiz 100.000 SFR
b) Arbeitslohn aus der Tätigkeit in Drittstaaten (Dienstreisen nach Frankreich) 50.000 SFR
c) Dividenden und Zinsen aus einer geerbten Beteiligung an einer deutschen GmbH 100.000 EUR

Ungeachtet der "Regel-Ansässigkeit" in der Schweiz erfolgt aufgrund der Regelung des Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz eine Besteuerung in Deutschland. Hierbei wird zwar der Arbeitslohn a) freigestellt, jedoch erfolgt eine Besteuerung der Einkünfte b) und c) in Deutschland. Dadurch, dass für a) der Progressionsvorbehalt gilt, dürfte der Spitzensteuersatz greifen. Die in der Schweiz (zulässigerweise) entrichteten Steuern auf b) und c) werden angerechnet.

[3] Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA/Schweiz.
[4] Art. 14 i. V. m. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c DBA/Schweiz.
[5] Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA/Schweiz.

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