§ 50 Abs. 9 Satz 1 1. Alt. EStG verweist bei Qualifikationskonflikten das Besteuerungsrecht ebenfalls an den Wohnsitzstaat (Deutschland) zurück. Qualifikationskonflikte haben ihre Ursache in einer nicht übereinstimmenden Abkommensanwendung durch die Vertragsstaaten; sie können unterschiedliche Ursachen haben.

§ 50d Abs. 9 Satz1 1. Alt. EStG ist faktisch die Umsetzung der Auslegung des OECD-MAK 2000 (Abs. 31.1 bis 32.7 zu Art. 23). Danach vermeidet der Ansässigkeitsstaat eine nach Durchführung eines Verständigungsverfahrens verbleibende Doppelbesteuerung (positiver Qualifikationskonflikt) grundsätzlich durch Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 1 EStG. Bei positiven Qualifikationskonflikten folgt der Ansässigkeitsstaat der Qualifikation des Quellenstaats (sog. Rechtsfolgenverkettung). Danach wird die Doppelbesteuerung nach der Methode vermieden, die sich dafür im Methodenartikel des jeweiligen DBA für diese Einkünfte ergibt. In Fällen doppelter Nichtbesteuerung oder zu niedriger Besteuerung (negativer Qualifikationskonflikt) unterbleibt die Freistellung. Eine etwaige ausländische Steuer wird nach § 34c Abs. 1 EStG angerechnet.

Diese Auslegung des OECD-MAK wurde bislang von der Finanzverwaltung auch auf DBA angewendet, die im Zeitpunkt der Änderung des OECD-MAK bereits bestanden haben.[1]

Im Bereich der Betriebsstättenbesteuerung betrifft dies primär das Fragen des Vorliegens einer Betriebsstätte. So kann es z. B. bei einer Betriebsstätte, die sich im Aufbau befindet, vorkommen, dass der andere Staat noch eine Hilfstätigkeit oder vorbereitende Handlung annimmt, während nach deutscher Auffassung bereits eine Betriebsstätte vorliegt, deren Gewinne freizustellen wären.

Nimmt der andere Staat jedoch sein Besteuerungsrecht nicht oder nur im eingeschränkten Umfang wahr, fällt das Besteuerungsrecht auf Deutschland zurück. Die Regelung des § 50d Abs. 9 Satz 1, 1. Alt. EStG ist rückwirkend in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden.

In der Literatur wird allerdings die Auffassung vertreten, dass § 50d Abs. 9 EStG bei nur zum Teil steuerfreien Einkünften nicht anwendbar ist[2] Ab 2007 entfällt diese Frage durch die Einfügung eines "soweit" in § 50d Abs. 9 EStG (vgl. 9.6.3)

Als zweite Fallgruppe ist der Bereich der Personengesellschaft zu nennen (z. B. Fragen der Umqualifizierung von Sondervergütungen). Vgl. hierzu den gesonderten Beitrag.

Berücksichtigung von Verlusten:

Streitig war in der Vergangenheit auch der "Umfang" der Wirkungen der Rückfallklauseln. Das FG München musste sich mit der Frage beschäftigen, ob im Rahmen der Rückfallklausel auch ausländische Verluste einer Betriebsstätte bei einem Oualifikationskonflikt im Inland zu berücksichtigen sind und hat dies bejaht. Der BFH hat in diesem Fall des Besteuerungsrückfalls bei unterschiedlicher Abkommensanwendung (keine Betriebsstätte im Ausland) entschieden, dass der Begriff der Einkünfte i. S. d. § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG sowohl positive als auch negative Einkünfte umfasst, so dass abkommensrechtlich steuerfrei gestellte Verluste bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vom Besteuerungsrückfall erfasst werden und im Inland ungeachtet des Abkommens abziehbar sind. Allerdings ist im Einzelfall der Verlustberücksichtigung im EU/EWR-Raum die Sonderregelung für passive Verluste i. S. d. § 2a und § 32b Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG zu berücksichtigen (Ausschluss des Progressionsvorbehalts).

[3]

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