5.1 Vermeidung einer Funktionsverlagerung dem Grunde nach

Eine betriebliche Funktion kann auch grundsätzlich ohne dass es zum Ansatz eines Transferpaketes kommen muss auf eine ausländische Tochtergesellschaft übertragen werden. Ansatzpunkt für die entsprechende Gestaltung ist hierbei die Grundtatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 3 AStG, wonach immaterielle Wirtschaftsgüter wesentlicher Bestandteil des Transferpakets ein müssen. Durch die Übertragung der betrieblichen Funktion unter Rückbehalt der immateriellen Wirtschaftsgüter wie es z. B. im Bereich der Lohnfertigung üblich ist, können die steuerlichen Konsequenzen vermieden werden. Dies zeigen auch die praktischen Erfahrungen der Finanzverwaltung für die Erstjahre. Hiernach wird regelmäßig in der deutschen Industrie versucht , Funktionsverlagerungen bereits dem Grunde nach gestaltend zu vermeiden.[1]

Allerdings ist ein Musterverfahren beim BFH unter dem Az. I R 54/19 zur Frage anhängig, ob bei Verlagerungen von Routinefunktionen eine Funktionsverlagerung vorliegt.

Hinsichtlich Einzelheiten dieser "Ausnahmefälle" bzw. "Gestaltungen" wird auf den gesonderten Beitrag "Fallgruppen der Funktionsverlagerung und Ausnahmefälle" verwiesen.

[1] Vgl. z. B. Andresen, Produktionsverlagerung ohne Funktionsverlagerung. Die Abgrenzung von verdeckter Gewinnausschüttung und Funktionsverlagerung i. S. des § 1 Abs. 3 S. 9 AStG, IWB 2013, S. 333.

5.2 Optimierung der Steuerbelastung bei einer unvermeidbaren Funktionsverlagerung

Ist eine Funktionsverlagerung im engeren Sinne nicht zu vermeiden, d. h. ist der Preis nach § 1 Abs. 3 AStG zu ermitteln, verbleiben dennoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung der steuerlichen Belastungen sowohl im In- als auch Ausland.

Eine Übersicht zeigt die Möglichkeiten auf:

Während die inländische Disposition regelmäßig durch Finanzierungsfragen bestimmt sein dürfte (Liquidität oder Refinanzierungskosten der Steuerzahlung) hängt die ausländische Disposition im wesentlichen auch von steuerlichen Fragen ab. Für die betroffenen Firmen ist es insbesondere vor einer vertraglichen Festlegung in der Praxis zweckmäßig, vorab eine Untersuchung der korrespondierenden Behandlung im Ausland vorzunehmen, da viele Staaten keine Firmenwertabschreibung kennen oder die AfA auf Geschäftswerte/geschäftswertähnliche WG auf bis zu 30 Jahre strecken. Eine Lizenzierung ist in diesem Fall vorteilhafter.

 
Funktionsverlagerung Rechtslage im Ausland – "Aufnahmeländer"
  Belgien China Indien Irland Schweiz Spanien Ungarn
Anerkennung des Verrechnungspreises wahrscheinlich? ggf. keine Anerkennung einer Zahlung für übertragenen Funktionen und Risiken; duale Bewertung strittig Vielleicht ggf. nur niedrigster Preis ja, sofern Verrechnungspreis OECD konform ggf. keine Anerkennung einer Zahlung für übertragenes Gewinnpotential Ja Ja
Aufteilung des Kaufpreises auf einzelne WG grundsätzlich ja Ja ja ja ja Nein Ja
Abschreibung WG/ Zeitanteiliger Steuerabzug ja, wenn tatsächlicher Wertfall grds. ja ja eingeschränkt ja ja Nein Ja
Steuerabzug des nicht einzelnen WG zuordenbaren Betrags in gewissem Umfang Nein nein nein nein Nein Ja
Steuerabzug der Vergütung für Nutzungsüberlassung ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen ja, wenn Vergütung auf Wirtschaftsgüter bezogen Ja

Quelle: Ernst & Young, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Nationale Steuerkonferenz September 2008

Diese Frage ist im Einzelfall anhand der konkreten Rechtslage im Ausland zu prüfen. Denn aufgrund der OECD-Entwicklungen ist nicht ausgeschlossen, dass der ausländische "Aufnahmestaat" inzwischen eine geänderte steuerliche Behandlung vornimmt.

Von erheblicher finanzieller Bedeutung ist für beide Ebenen die Frage, ob ein faktischer Verkauf (Sofortrealisierung der stillen Reserven) oder eine Lizenzierung (Gewinnverteilung über die wirtschaftliche Nutzungsdauer) vorliegt. Dies ist im Regelfall Sache der vertraglichen Gestaltung. Grundsätzlich steht es in der unternehmerischen Dispositionsfreiheit zu entscheiden und zu strukturieren, wie eine Funktionsverlagerung "abgewickelt" wird. Dies ist regelmäßig auch von der Finanzverwaltung zu akzeptieren. Grenzen setzt § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) und partiell auch der Fremdverhaltensgrundsatz des § 1 Abs. 1 AStG. Für die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen ist hierbei grundsätzlich der Parteiwille von Bedeutung.[1]

Die Rechtsverordnung bestimmt für Grenzfälle in § 4 Abs. 2 FVerlV, dass wenn Zweifel bestehen, ob hinsichtlich des Transferpakets oder einzelner Teile eine Übertragung oder Nutzungsüberlassung anzunehmen ist, auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung ausgegangen werden kann. Damit ist gerade bei einem nachträglichen Aufgriff keine "Sofortbesteuerung" zu befürchten.

Damit besteht auch insoweit eine unternehmerische Planungsmöglichkeit.

In der Neufassung der FVerlV 22 wurde § 4 Abs. 2 FVerlV, wonach auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist, wenn Z...

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