Bei grenzüberschreitenden Einkünftekorrekturen (aufgrund von Verlagerungen) ist es notwendig, vorab die einzelnen Korrekturvorschriften gegeneinander abzugrenzen. Die Vorschrift des § 1 AStG steht zu folgenden Vorschriften in einem Konkurrenzverhältnis.

Korrekturnormen dem Grunde nach:

Hinsichtlich der Korrektur der Höhe nach ist der Vorgabe des Fremdpreises nach § 1 Abs. 1 AStG noch gegenüber zu stellen:

In der Vergangenheit wurde nach den Verwaltungsgrundsätzen 1983[1] davon ausgegangen, dass § 1 AStG nachrangig zu prüfen ist.

Diese "Lückenfüllerfunktion" des § 1 AStG muss allerdings ab dem VZ 2008 neu hinterfragt werden. Durch die Neuregelung im § 1 Abs. 1 Satz. 3 AStG im UntStRefG 2008 wird bestimmt, dass § 1 AStG ergänzend zur Anwendung kommt, wenn dieser weiter gehende Rechtsfolgen hat als andere Korrekturvorschriften.

Die gesetzliche Neuregelung des § 1 Abs. 1 AStG durch das UnternehmensteuerreformG 2008 ist auf den ersten Blick widersprüchlich. § 1 Abs. 1 AStG 2008 stellt in Satz 1 – entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung – klar, dass eine Einkommens-Korrektur nach § 1 AStG gegenüber anderen steuerlichen Korrekturvorschriften nachrangig ist, bzw. dass anderen Korrekturvorschriften, wie z. B. § 8 Abs. 3 KStG für vGA oder Einlage, der Vorrang einzuräumen ist. Festgelegt wird auch, dass eine Einkommenskorrektur ausschließlich in der Richtung einer Einkommenserhöhung möglich ist.

Hingegen wird durch § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG abweichend vom bisherigen Verhältnis der Normen zueinander geregelt, dass die Einkommenskorrektur nach § 1 AStG weiter gehende Korrekturen ermöglicht als die Instrumente der vGA, der verdeckten Einlage oder der Entnahme. § 1 AStG ist bei Betrachtung der Rechtsfolge damit nicht mehr als eine nur nachrangige Einkünftekorrekturvorschrift, sondern als ergänzende Einkünftekorrekturvorschrift zu qualifizieren,[2] was im Ergebnis zur Idealkonkurrenz führt.[3]

Damit wird auf der Rechtsfolgenebene die Vorrangigkeit der anderen Vorschriften faktisch aufgehoben.[4] So wird insbesondere sichergestellt, dass z. B. bei der unentgeltlichen Übertragung von WG des Umlaufvermögens auf ein verbundenes ausländisches Unternehmen nicht nur eine Korrektur mit dem Teilwert (hier regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten) erfolgt, sondern die ergänzende Korrektur nach § 1 AStG auch den Gewinnaufschlag erfasst. Hintergrund dieser Regelung ist aber auch die Frage, welcher Einkunftskorrekturmaßstab bei inländischen Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern zur Anwendung kommt. Diese Frage hat der BFH[5] bisher nicht abschließend entschieden und auf hierbei bestehende Probleme aufmerksam gemacht.

Ausschlaggebend hierfür ist, dass bei einem vergleichbaren Inlandsfall die Regelungen zur Entnahme anzuwenden sind. Eine Einkunftskorrektur erfolgt nur, wenn die Entnahme des Gesellschafters mit einem Wert unterhalb des Teilwerts vergütet würde. Hingegen sieht § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG vor, dass als Korrekturmaßstab auf den Fremdvergleichspreis abzustellen ist. Dieser unterscheidet sich vom Teilwert dadurch, dass beim Fremdvergleichspreis zusätzlich ein Gewinnaufschlag zu verrechnen ist, während sich der Teilwert nach der Rechtsprechung nach den Wiederbeschaffungskosten richtet. Dies entspricht der mit dem SEStEG eingeführten Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 6 Nr. 4 Satz 1 HS 2 EStG sowie § 4 Abs. 1 Satz 7 HS 2 i. V. m. Nr. 5a EStG (Entnahme und Einlage zum gemeinen Wert).

Der BFH hat sich zuletzt hinsichtlich der Konkurrenzverhältnisse mit einem Darlehen zwischen Schwestergesellschaften (also im Dreiecksverhältnis) beschäftigt (BFH, Urteil v. 27.11.2019, I R 40/19, in den Tz. 3 und 4 der Urteilsbegründung). In Tz. 3 wird zunächst der Verzicht auf zukünftige Zinsen untersucht, in Tz. 4 der Verzicht auf bestehende Zinsansprüche. Zum Verhältnis einer verdeckten Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und der Korrekturnorm des § 1 AStG führt der BFH aus, dass es keinen Vorrang der verdeckten Gewinnausschüttung gibt. Der Rechtsanwender kann nach BFH-Auffassung wählen, welche der beiden Vorschriften er zuerst prüft. Nur diese Auffassung, die der BFH aus dem Wortlaut ableitet, würde dem Gesetzeszweck "der Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns" entsprechen.

In "Dreiecksfällen" (wie vorliegend im Urteilsfall) könnte zwar zunächst auch eine Korrektur über eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen werden. Da sich der Vorteil jedoch bei einer inländischen GmbH als Anteilseigner mangels Einlagefähi...

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