1.1 Notwenigkeit und Auswirkungen einer Differenzierung

Die steuerlichen Auswirkungen des Ansatzes eines Transferpaketes nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen[1] setzen voraus, dass

  • eine betriebliche Funktion verlagert wird und
  • kein Ausnahmefall vorliegt.

Beachte: Auch wenn die Tatbestände der Funktionsverlagerung nach § 1 Abs. 3 AStG nicht erfüllt sind, ist nachrangig zu prüfen, ob nicht

  • eine Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG oder § 12 KStG vorliegt oder
  • nach den allgemeinen Grundsätzen der Fremdverhaltenskonformität nach § 1 AStG ein angemessener Fremdpreis (z. B. Lizenzgebühr für überlassende Patente und Know-how, Dienstleistungsentgelt für Schulungen der Mitarbeiter, Kaufpreis für gebrauchte Anlagegüter etc.) zu vereinbaren ist.

Die Auswirkungen liegen daher "nur" bei der abweichenden Ermittlung des fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises. Sie können aber erheblich sein, da bei einer Gesamtbewertung vielfältige zusätzliche Aspekte wie Synergieeffekte, Standortvorteile, Ertragsaussichten etc. den Preis bestimmen, während bei einer abweichenden "Einzelbewertung" regelmäßig ein substanzwert-orientierter Wert zu erfassen ist.

Schon die Nichterfassung eines Geschäfts- und/oder Firmenwerts wird regelmäßig bei der Einzelabrechnung zu niedrigeren Entgelten führen.

1.2 Der unbestimmte Begriff der Funktion (Rechtslage bis einschließlich VZ 2021)

Weder das AStG selbst noch die RVO definiert den Begriff der Funktion. Lediglich die Begründung der RVO enthält die Aussage, dass eine Funktion eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden, ist. Verständlicher ist die Erläuterung von Blumers[1] wonach Funktionen die vielfältigen Teilaufgaben sind, die im Rahmen einer Wertschöpfungskette ausgeübt werden. Betriebswirtschaftlich ist unter Funktion die Tätigkeit und Verantwortlichkeit zu verstehen, die ein Unternehmen im Rahmen aller für eine Leistungserbringung erforderlichen Schritte trägt.[2]

Typische betriebliche Funktionen eines Industrieunternehmens sind herbei regelmäßig in folgenden Geschäftsfeldern festzustellen[3]:

 
Geschäftsfeld Detailfunktionen
Produktion Forschung und Entwicklung, Design, Produktion, Montage, Qualitätskontrolle, Verpackung, Kundendienst
Einkauf Materialbeschaffung, Lagerhaltung Einkauf
Verkauf Vertrieb, Werbung, Marketing, Inkasso, Marktforschung
Transport Transport, Lagerhaltung Verkauf
Stabsstellen Aus-/Weiterbildung, Rechtsabteilung
Treasury Versicherung, Leasing, Finanzierung, Immobilienverwaltung

Bei der Untersuchung einer betrieblichen Umstrukturierung oder gar nur anderen Aufgabenverteilung zwischen in- und ausländischen Einheiten stellt sich zwangsläufig die Frage, ab welchem Umfang einer Veränderung eine Funktionsverlagerung vorliegt. D. h. es stellt sich die Frage der sog. Atomisierung bzw. der Grenzen einer funktionalen Betrachtungsweise. Diese Frage ist angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs der Funktion im Einzelfall schwer zu beantworten.[4]

Bereits bei der Untersuchung der Produktionsfunktion lassen sich hierbei folgende möglichen "Aufgriffspunkte" für die Bestimmung einer Funktion konträr gegenüberstellen (liegt eine Funktion erst – oder bereits ab …vor):

  • Gesamtproduktion oder Sparte,
  • Produktfamilie oder Produktlinie,
  • Modell oder einzelnes Produkt,
  • aktuelle oder zukünftige Produkte.

Vergleichbare Untersuchungen sind auch bei der Vertriebsfunktion anzustellen:

Ist Funktion der Gesamtvertrieb oder einzelne Märkte oder Kundensegmente oder Produkte?

Auch bei der Untersuchung der dritten wichtigen "Großfunktion" Forschung und Entwicklung ergeben sich solche Zweifelsfragen:

  • Aktuelle oder zukünftige Produkte,
  • Gesamt-F&E oder Sparte oder Produktlinie oder Modell.

Zur Lösung ist im Zweifel auf die Begründung der FVerlV zurückzugreifen, wonach eine "ausufernde Anwendung" der Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen gem. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG vermieden werden soll.[5]

Folgerichtig wird in der Literatur[6] darauf verwiesen, dass eine Funktion i. S. d. § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG nur dann vorliegt, wenn sie einen "organischen Teil eines Unternehmens" ausmacht[7]. Aus dieser Formulierung sei zu schließen, dass eine Funktion über eine gewisse betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit verfügen muss, die es insbesondere erlaubt, der Funktion die durch sie verursachten Erträge und Aufwendungen zuzuordnen. Diese Einschränkung sei insoweit sachgerecht, als auch zwischen unabhängigen Dritten die Vergütung einer Funktion nur denkbar ist, wenn diese im Einzelnen abgrenzbar und selbstständig bewertbar ist.

Die Finanzverwaltung grenzt allerdings nicht zu Hilfsfunktionen oder Teilbereichen ab. Sie lehnt auch ausdrücklich das Anlehnen an den Teilbetrieb ab.

So ist z. B. weiterhin nicht eindeutig, ob bereits eine Produktionslinie oder nur ein Gesamtgeschäftsfeld bei einer Verlagerung die Rechtsfolgen auslöst. Vielmehr lautet eine Detailaussage in Rn. 16 der VWGFVerl[8]"... Eine Funktion kann insoweit z. B....

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