Leitsatz

Die ImmoWertV gestattet die Ermittlung des Bedarfswerts eines Erbbaugrundstücks nach der finanzmathematischen Methode.

 

Normenkette

§ 194, § 183, § 198, § 9 BewG, § 192, § 199 BauGB, § 8, § 14 ImmoWertV

 

Sachverhalt

Die Klägerin erbte in der 2. Hälfte des Jahres 2010 u.a. 28 Erbbaugrundstücke. Davon sind 27 mit Reihenhäusern, eines mit einem Werkstattgebäude bebaut. Das FA folgte bei der gesonderten Feststellung der jeweiligen Grundstückswerte auf den Besteuerungszeitpunkt der sog. finanzmathematischen Methode nach § 194 Abs. 2 bis 4 BewG. Es nahm u.a. einen Liegenschaftszinssatz von 3 % für die Reihenhäuser und 6,5 % für das Geschäftsgrundstück sowie einen geschätzten Erbbauzins von 2,20 EUR/m² an. Gebäudeanteile berücksichtigte es nicht, da kein entschädigungsloser Übergang vereinbart sei.

Im Einspruchsverfahren legte die Klägerin ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von ­bebauten und unbebauten Grundstücken vor. Der Sachverständige ging nach finanzmathematischer Methode vor. Eine Bewertung der Erbbaugrundstücke im Vergleichswertverfahren sei nicht möglich. Für den maßgebenden externen Grundstücksteilmarkt (Veräußerungen an Käufer, die nicht gleichzeitig die Erbbauberechtigten seien) gebe es keine Kauffälle. Der Sachverständige nahm für die Reihenhäuser einen Liegenschaftszinssatz von 4 % an und setzte die tatsächlich vereinbarten Erbbauzinsen an. Die Gebäude berücksichtigte er nicht. Das Geschäftsgrundstück behandelte er als Teil des Einfamilienhausgrundstücks.

Das FA wies die Einsprüche mit der Erwägung zurück, die finanzmathematische Methode sei nicht sachgerecht. Der regionale Grundstücksmarktbericht enthalte Vergleichsfaktoren für den Teilmarkt "Erbbaugrundstücke für Ein- und Zweifamilienhäuser". Die hieraus nach § 194 Abs. 1 BewG i.V.m. § 183 BewG folgenden Werte lägen höher als bisher festgestellt. Eine Verböserung fand nicht statt. Das FG wies die Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.12.2017, 1 K 210/14, Haufe-Index 11659045, EFG 2018, 819).

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision der Klägerin statt und stellte die Grundbesitzwerte auf die im Sachverständigengutachten ermittelten Werte fest.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bewertung von Erbbaugrundstücken und dem Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts solcher Grundstücke durch Sachverständigengutachten.

1. Nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG sind u.a. für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, sind gemäß § 192 Satz 1 BewG die Werte für die wirtschaftliche Einheit Erbbaurecht nach § 193 BewG und für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks nach § 194 BewG gesondert zu ermitteln. Letzteres ist das Erbbaugrundstück.

§ 194 BewG enthält zwei im Stufenverhältnis stehende Methoden. Nach § 194 Abs. 1 BewG ist der Wert des Erbbaugrundstücks in erster Linie im Vergleichswertverfahren nach § 183 BewG zu ermitteln, entweder auf der Grundlage von Vergleichskaufpreisen nach § 183 Abs. 1 BewG, die von den Gutachterausschüssen i.S.d. §§ 192ff. BauGB mitgeteilt werden, oder mit Hilfe von aus Kaufpreisen abgeleiteten Vergleichsfaktoren, die von den Gutachterausschüssen ermittelt und mitgeteilt werden. Liegen weder Vergleichskaufpreise noch Vergleichsfaktoren vor, setzt sich der Wert nach der von der Finanzverwaltung so bezeichneten (vgl. R B 194 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2013) finanzmathematischen Methode des § 194 Abs. 2 BewG aus dem Bodenwertanteil nach § 194 Abs. 3 BewG und ggf. einem Gebäudewertanteil nach § 194 Abs. 4 BewG zusammen.

2. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist nach § 198 Satz 1 BewG dieser Wert anzusetzen.

a) In formeller Hinsicht kann dieser Nachweis u.a. durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erbracht werden. Ob das Gutachten tatsächlich den Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Diese setzt voraus, dass dem Gutachten ohne weitere Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen gefolgt werden kann, insbesondere ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens rechnet sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.

Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des FA, ggf. des FG. Der BFH ist hieran nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden. Das setzt jedoch voraus, dass die bei der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung zu beachtenden Rechtsgrundsätze befolgt wurden. Ist der BFH an die Feststellungen nicht gebunden, kann er ausnahmsweise selbst die Würdigung vornehmen, wenn das FG alle für die Tatsachenwürdigung erforderlichen Tatsachen festgestellt hat und diese Feststellungen nach den Denkgesetzen und al...

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