rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Pflegekindschaftsverhältnis und Erziehungsstelle

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Pflegekindschaftsverhältnis liegt vor, wenn eine ähnliche Beziehung in Form eines Aufsichts-, Betreuungs-, und Erziehungsverhältnisses wie zwischen Eltern und Kind besteht und das Kind wie zur Familie gehörig angesehen und behandelt wird.
  2. Indizien für ein ähnliches familiäres Band sind die lange Aufenthaltsdauer des Kindes in der Familie, der nur sehr eingeschränkte der Kontakt zu den leiblichen Eltern, das Bestehen einer personenbezogenen Ausrichtung sowie das fehlende Bereithalten einer sachlichen Organisation.
  3. Die Zahlung von Pflege und Erziehungsgeldern stellt nur einen Aufwendungsersatz dar und steht der Anerkennung des Pflegekindschaftsverhältnisses nicht entgegen. Nur wenn die Pflegeeltern ein erheblich über den Pflegesätzen des zuständigen Jugendamtes liegendes Pflegegeld gezahlt wird spricht dies dafür, dass sie durch das Pflegegeld nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen für die Unterbringung und Betreuung des Kindes entlohnt werden.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1; SGB VIII §§ 33-34, 39, 44, 78a

 

Streitjahr(e)

2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.10.2017; Aktenzeichen III R 25/15)

BFH (Urteil vom 19.10.2017; Aktenzeichen III R 25/15)

 

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage wendet sich der Kläger zum einen gegen den Ablehnungsbescheid vom .2007 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom .2008. Mit dem Bescheid vom .2007 lehnte die beklagte Familienkasse den "Antrag auf Kindergeld vom .2007" bezüglich der Kinder L und A mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein Pflegekindschaftsverhältnis, sondern um eine Erziehungsstelle. Am .2007 war das Schreiben des früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 2007 eingegangen, mit welchem er auf seinen vorangegangenen Kindergeldantrag vom .2007 (Eingang bei der beklagten Behörde: .2007) Bezug nahm. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die beklagte Behörde mit dem Ablehnungsbescheid vom .2007 auch über den zuvor gestellten Kindergeldantrag vom .2007 entschieden hat.

Zum anderen wendet sich der Kläger mit der zum Verfahren verbundenen Klage (vormals mit dem Az.: 2 K 1450/09) gegen die beiden Bescheide vom .2008, mit welchen die beklagte Behörde den Kindergeldantrag vom .2007 (s.o.) abgelehnt hatte. Über den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch hat die beklagte Behörde bis heute nicht entschieden. Die hierzu am .2009 unter dem Az.: 2 K 1450/09 erhobene Klage ist als Untätigkeitsklage i.S. des § 46 FGO erhoben worden. In den angefochtenen Bescheiden vom 2008 wird die Ablehnung des Kindergeldantrages ähnlich begründet wie in dem o.a. Bescheid vom .2007.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vier im Tenor dieser Entscheidung aufgeführten Kinder bzw. Jugendlichen als Pflegekinder i.S. von § 32 Abs. 1

Nr. 2 EStG anzuerkennen sind (so der Kläger) oder ob der Kläger diese zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat (so die beklagte Behörde).

Der Kläger und seine Ehefrau nahmen die o.a. Kinder im Rahmen von sog. Erziehungsstellenverträgen mit dem in X ansässigen Verein Y in ihren Haushalt auf.

Über diesen Verein heißt es auf der Startseite von dessen homepage:

"Der Y-Verein, das ist sozial-diakonische Arbeit in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, der …. seit dem Jahr .

Gegründet am …., dem Tag …, von der … sowie weiteren Mitstreitern aus X, hat es sich der Verein von Anfang an zum Ziel gesetzt, sich für Kinder, Jugendliche, psychisch Kranke und ältere Menschen zu engagieren.

Im Laufe der Jahrzehnte erweiterte der Y-Verein e.V. sein pädagogisches und pflegerisches Angebot kontinuierlich in den Bereichen der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie der Sozialpsychiatrie.

Heute leben in Hessen, Thüringen und Sachsen mehr als 700 Kinder und Jugendliche, die durch die Mitarbeitenden des Vereins betreut und versorgt werden. Kleine, überschaubare Systeme und Familien bieten ihnen ein verlässliches Beziehungsangebot. Zusätzlich entwickeln sich zunehmend aufsuchende und gemeindenahe Angebote in der Jugendarbeit und der Sozialarbeit an Schulen."

Zur Jugendhilfe heißt es auf der homepage:

"Der Y-Verein X bietet Eltern, Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen Hilfen zur Erziehung. Wir, die sozialpädagogische Kinder- und Jugendhilfe des Y- Vereins X, wollen junge Menschen in ihrer individuellen Entwicklung unterstützen und helfen, Fehlentwicklungen zu korrigieren. Wir fördern die Stärken und Fähigkeiten jedes einzelnen, zeigen Wege auf, Konflikte zu bewältigen, stabilisieren sein Verhalten und vermitteln christliche Werte."

Die vollstationäre Hilfe wird wie folgt umrissen:

"Im Bereich der stationären Hilfen bieten wir jungen Menschen außerhalb ihrer eigenen Familie einen neuen Lebensort und bei Bedarf eine langfristige Lebensperspektive. Dieses umfassende Konzept der Lebensbegleitung vollzieht sich in Gruppen und Wohngemeinschaften. Dabei achten wir auf eine behagliche und fami...

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