Im Gegensatz zu reinen Privatgeschäften gilt es im Handelsverkehr einerseits den besonderen Bedürfnissen nach schnellen und unkomplizierten Entscheidungen gerecht zu werden und andererseits zu berücksichtigen, dass Kaufleute aufgrund ihrer Geschäftserfahrung auch weniger schutzbedürftig sind als Privatpersonen. Voraussetzungen für die Anwendbarkeit handelsrechtlicher Regelungen sind daher, dass

  • zumindest ein Kaufmann tätig wird und dass
  • das vorgenommene Geschäft zum Bereich des von ihm betriebenen Handelsgewerbes gehört (§ 343 Abs. 1 HGB).

Geschäfte gehören dann zu einem solchen, wenn sie dem Interesse des Handelsgewerbes, der Erhaltung seiner Substanz und der Erzielung von Gewinn dienen sollen.[1]

Die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln kann u. U. schwierig sein. Der BGH stellt nach Vorgaben des EuGH auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts ab. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an. Von maßgebender Bedeutung ist,

  • zu welchem Zweck der veräußerte Gegenstand bislang genutzt wurde und
  • aus welchem Anlass er verkauft werden sollte.
  • In bestimmten Fällen kann es auch ausreichen, dass dem Käufer vor oder bei Vertragsschluss der Eindruck vermittelt wird, er erwerbe die Kaufsache von einem Unternehmer.[2]
 
Achtung

Vermutung spricht für ein Handelsgeschäft

Gem. § 344 Abs. 1 HGB gilt die gesetzlich widerlegbare Vermutung, dass die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel immer als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig angesehen werden. Will der Kaufmann die Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften ausschließen, muss er diese gesetzliche Vermutungswirkung entkräften, d. h. darlegen und beweisen, dass es sich bei dem konkreten Rechtsgeschäft um ein Privatgeschäft handelt. Allerdings findet die Vermutungsregel des § 344 Abs. 1 HGB dann keine Anwendung, wenn es sich bei dem Kaufmann um eine natürliche Person (Einzelkaufmann) handelt.[3]

Sind auf beiden Seiten eines Geschäftes Kaufleute beteiligt, spricht man von einem beiderseitigen Handelsgeschäft. Ist nur eine der Parteien des Handelsgeschäfts ein Kaufmann, liegt ein einseitiges Handelsgeschäft vor.

 
Praxis-Beispiel

Kaufleute auf beiden Seiten

Kauft Herr Müller im Supermarkt Tomaten und Milch, liegt ein einseitiges Handelsgeschäft vor. Der Großeinkauf des Supermarktbetreibers von Obst, Gemüse und Milcherzeugnissen bei seinen Vertragshändlern stellt dagegen ein beiderseitiges Handelsgeschäft dar. Verkauft Herr Müller – nicht gewerbsmäßig – seine Privatsachen auf einem Trödelmarkt an Lieschen Meier, liegt nur ein reines Privatgeschäft vor, das ausschließlich den Regelungen des BGB unterworfen ist.

Grundsätzlich kommen gem. § 345 HGB

  • die besonderen Vorschriften über Handelsgeschäfte auch bei einseitigen Handelsgeschäften für beide Teile gleichermaßen zur Anwendung.
  • Nur wenn Einzelnormen ausdrücklich das Vorliegen eines beiderseitigen Handelsgeschäfts verlangen, gilt dieser Grundsatz nicht.

Beispielsweise können Zinsen ab Fälligkeit (§ 353 HGB) nur bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft verlangt werden. Gleiches gilt für die Wirksamkeit von Abtretungen trotz Abtretungsverbot (§ 354 a HGB). Hingegen sind auf den Nichtkaufmann als Vertragspartner eines Kaufmanns insbesondere die Regeln über den Handelskauf (mit Ausnahme der §§ 377 f.) sowie über das Lager- und Frachtgeschäft (siehe 3.3. und 3.5.) anwendbar.

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