Sowohl für den Bereich des Betriebsvermögens als auch für den Bereich des Privatvermögens bilden Erbfall und Erbauseinandersetzung keine rechtliche Einheit. Hinterlässt ein Erblasser mehrere Erben, geht sein Vermögen mit dem Tod im Ganzen auf die Erben über und wird bei ihnen zu gemeinschaftlichem Vermögen. Die Miterben verwalten den Nachlass gemeinsam und können über Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen. Die Erbengemeinschaft kann unbegrenzt bestehen bleiben. Das Ergebnis ihrer Betätigung wird Bestandteil des gemeinschaftlichen Vermögens. Hieraus ergeben sich Folgerungen für das Entstehen und die Zurechnung von steuerlichen Einkünften bei den Miterben.

Hatte der Erblasser Einkünfte aus vermietetem oder verpachtetem Vermögen, wird dieses Vermögen nach dem Erbfall durch die Erbengemeinschaft zur Nutzung oder zum Gebrauch überlassen. Die Miterben bestimmen über die Verwendung des Vermögens, ihnen fließt der Vermögensertrag zu. Sie verwirklichen damit gemeinsam den Tatbestand der Einkunftserzielung nach § 21 EStG. Die erzielten Einkünfte werden ihnen grundsätzlich nach ihren Erbanteilen zugerechnet.[1]

 
Praxis-Beispiel

Einkünfte einer Erbengemeinschaft

Erblasser V hinterlässt als Erben seine Ehefrau F zu 1/2 und seine Kinder S und T zu je 1/4. Zum Nachlass gehört ein Mietwohngrundstück. Die nach dem Tod erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betragen 10.000 EUR.

Die Einkünfte der Erbengemeinschaft sind einheitlich und gesondert wie folgt festzustellen:

 
  F S T
Einkünfte V+V 5.000 EUR 2.500 EUR 2.500 EUR

Die Einkunftserzielung durch die Erbengemeinschaft und damit die Zurechnung der laufenden Einkünfte an die Miterben findet ihr Ende, soweit sich die Miterben hinsichtlich des gemeinsamen Vermögens auseinandersetzen.

Die Finanzverwaltung erkennt in den Fällen der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften in Bezug auf die Zurechnung der laufenden Einkünfte in engen Grenzen eine steuerrechtlich unschädliche Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls an, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung eine rückwirkende Zurechnung laufender Einkünfte für höchstens 6 Monate vorsieht. Die Frist beginnt mit dem Erbfall. In diesen Fällen können die laufenden Einkünfte daher ohne Zwischenzurechnung ab dem Erbfall ungekürzt dem die Einkunftsquelle übernehmenden Miterben zugerechnet werden. Dies gilt auch bei Teilauseinandersetzungen. Soweit laufende Einkünfte rückwirkend zugerechnet werden, ist die Auseinandersetzung so zu behandeln, als ob sich die Erbengemeinschaft unmittelbar nach dem Erbfall auseinandergesetzt hätte (Durchgangserwerb der Erbengemeinschaft).[2]

 
Praxis-Beispiel

Zurechnung der Einkünfte bei Auseinandersetzung

Der Erblasser E, der am 30.6.2023 stirbt, hinterlässt seinen Kindern S und T zu gleichen Teilen ein Mietwohngrundstück. S und T vereinbaren am 31.12.2023, dass S das Mietwohngrundstück allein vermietet und seiner Schwester T ein Gleichstellungsgeld auszahlt. Bis zur Auseinandersetzung am 31.12.2023 entstehen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 30.000 EUR.

Die Einkünfte sind dem E zuzurechnen, soweit er sie zu seinen Lebzeiten erwirtschaftet hat (15.000 EUR). Die Einkünfte ab 1.7.2023 sind allein dem S zuzurechnen. T erzielt einen Veräußerungserlös i. H. d. Differenz zwischen dem Gleichstellungsgeld und ihrem Anteil an den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Erblassers, der ggf. unter den Voraussetzungen des § 23 EStG zu versteuern ist. Die 6-Monats-Regel gilt nur für die laufenden Einkünfte. Die Erbauseinandersetzung folgt den allgemeinen Regeln.

 
Wichtig

Rechtlich bindende Vereinbarung innerhalb der 6-Monatsfrist

Es reicht nicht aus, wenn die Miterben innerhalb der 6-Monatsfrist lediglich den Entschluss fassen, sich auseinanderzusetzen. Vielmehr muss innerhalb der Frist eine klare und rechtlich bindende Vereinbarung über die Auseinandersetzung und ihre Modalitäten vorliegen. Diese Auseinandersetzungsvereinbarung muss den Übergang von Nutzungen und Lasten für die von dieser Auseinandersetzung betroffenen Wirtschaftsgüter auf den Zeitpunkt des Erbfalls festlegen. Sie muss auch tatsächlich durchgeführt werden. Soweit noch eine Wertfindung erforderlich ist, kann diese jedoch auch außerhalb der Frist erfolgen.[3]

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