Überblick

Um die Verbreitung des sog. Seeling-Modells einzudämmen, löste die Entnahme von vorsteuerentlasteten Grundstücken aus dem Unternehmensvermögen nach Ansicht der Finanzverwaltung Umsatzsteuer aus. Nun ist das BMF zurückgerudert. Ab sofort gilt in allen noch offenen Fällen: Ist die Entnahme (nach § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG) steuerbar, kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a UStG wieder zur Anwendung.

 

Sachverhalt

Nach Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung Seeling (Urteil v. 8.5.2003, Rs. C-269/00), rechnete die Finanzverwaltung mit dramatischen Steuerausfällen. Schließlich bedeutete diese Rechtsprechung, dass Unternehmer den Vorsteuerabzug aus dem Bau bzw. Erwerb ihrer Privatwohnung in voller Höhe geltend machen können, sofern sie das Gebäude zu wenigstens 10 % auch für unternehmerische Zwecke nutzen. Deshalb hatte das BMF kurzfristig verfügt, dass entgegen der früheren Rechtsansicht die (spätere) Entnahme des Grundstücks nicht nach § 4 Nr. 9a UStG steuerbefreit ist. Dem Seeling-Modell wurde dadurch einiges an Attraktivität genommen.

Weil nach Artikel 16 MwStSystRL die Entnahme eines Gegenstands einer entgeltlichen Lieferung gleichgestellt wird, müssen folgerichtig auch die für Lieferungen geltenden Befreiungsvorschriften bei Entnahmen anwendbar sein. Abgesehen von Neubauten sind Lieferungen von Gebäuden, Gebäudteilen sowie dem dazugehörigen Grund und Boden nach Art. 135 Abs. 1j der MwStSystRL grundsätzlich als steuerfrei zu behandeln. Das BMF hat nun eine Kehrtwende vollzogen und wendet die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9a UStG ab sofort auch bei Grundstücksentnahmen wieder an. Entgegenstehende Aussagen des Abschn. 71 Abs. 1 Satz 1 UStR 2008 und des BMF-Schreibens v. 13.4.2004, BStBl 2004 I S. 469, sind nicht mehr anzuwenden. Allerdings können sich Unternehmer für vor dem 1.10.2008 bewirkte Entnahmen noch auf die bislang gültige Verwaltungsauffassung berufen, sofern dies gewünscht sein sollte.

 

Hinweis

Für Unternehmer bietet die geänderte Verwaltungsauffassung eine belastungsneutrale (vorzeitige) Ausstiegsmöglichkeit aus dem Seeling-Modell; Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG bei umsatzsteuerfreier Entnahme innerhalb des Berichtigungszeitraums bleiben weiterhin zu beachten. Außerdem sieht ein derzeitiger Entwurf des Art. 168a MwStSystRL vor, den Vorsteuerabzug beim Erwerb eines Grundstücks auf unternehmerisch genutzte Grundstücksteile zu beschränken, sofern die Ausgangsumsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen. Sobald dieser Richtlinienvorschlag in nationales Recht umgesetzt wird, kann das Seeling-Modell in Neufällen nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil ein Vorsteuerabzug für die privat genutzte Wohnung dann nicht mehr in Betracht kommt. Bis dahin gilt es zu entscheiden, ob der Vorsteuerabzug für eine privat genutzte Wohnung in "Neufällen" noch beansprucht werden soll. Die drohende Umsatzsteuerpflicht einer späteren Entnahme steht dem zumindest nun nicht mehr entgegen.

 

Link zur Verwaltungsanweisung

BMF, Schreiben v. 22.9.2008, IV B 8 – S 7109/07/10002.

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