Inzwischen gehen dem Vernehmen nach bei den Finanzämtern täglich "waschkörbeweise" Einsprüche gegen die Feststellungen der Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022 ein, mit denen insbesondere verfassungsrechtliche Zweifel an den neuen Regelungen geltend gemacht werden. Dabei gehen die einspruchsführenden Steuerpflichtigen hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der neuen Grundsteuerwerte von folgenden Erwägungen aus (vgl. hierzu auch die Beschlüsse des FG Rheinland-Pfalz v. 23.11.2023, 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23):

  • Die neuen Bewertungsverfahren sowohl im Bereich des Grundvermögens als auch im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sehen aus Vereinfachungsgründen umfassende Typisierungen vor. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht es dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich frei, bestimmte Bewertungsparameter typisierend festzulegen und deren Rechtsverbindlichkeit bei der Bewertung von Grundbesitz anzuordnen, solange die Grenzen der Typisierung eingehalten sind. Die Typisierung, die der Bewertung zugrunde liegt, rechtfertigt aber keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall.

    Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder – anders ausgedrückt – die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind[1]

    Der Gesetzgeber hat sich im Bundesmodell dafür entschieden, den typisiert ermittelten Grundstückswert als Belastungswert heranzuziehen. Hierbei akzeptiert er aber extreme Nivellierungen der Grundsteuerwerte durch die typisierte Bewertung. Das Bundesmodell sieht keine Möglichkeit vor, einen niedrigeren gemeinen Wert als den sich nach den Bewertungsvorschriften des BewG ergebenden nachzuweisen. Die Möglichkeit des Nachweises von tatsächlich niedrigeren Bodenrichtwerten (oder auch Vergleichsmieten) gebietet aber das grundgesetzliche Übermaßverbot. Für das Bundesmodell muss daher die Möglichkeit eröffnet werden, durch ein Gutachten oder sonstige aussagekräftige Unterlagen nachzuweisen, dass der tatsächliche Bodenwert des Grundstücks erheblich von dem nach § 247 Abs. 1 Satz 2 BewG unangepassten Bodenrichtwert abweicht.

  • Zudem stehen die finanziellen Auswirkungen der Grundsteuer erst nach Festsetzung der nachfolgenden Grundsteuerbescheide durch die Gemeinden fest. Zu diesem Zeitpunkt werden die Grundsteuerwertbescheide (als Grundlagenbescheide) jedoch regelmäßig bereits bestandskräftig sein. Die Rechtsfolgen der Grundsteuerwertbescheide lassen sich damit in Ermangelung angepasster Hebesätze bis zum Ende der Rechtsbehelfsfrist der Grundlagenbescheide nicht absehen. Dies könnte gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Bestimmungsgebot, dass auch im Steuerrecht gilt, verstoßen.

    Das Bestimmungsgebot besagt, dass der Bürger erkennen muss, welche Rechtsfolgen sich aus seinem Verhalten ergeben können. Die staatliche Reaktion auf sein Handeln muss also voraussehbar sein, andernfalls bestünde die Gefahr einer staatlichen Willkür. Der Bestimmtheitsgrundsatz schafft also Rechtssicherheit.

Die Finanzverwaltung weist derartige Einsprüche – soweit hier bekannt – entgegen ihrer in vergleichbaren Fällen üblichen Vorgehensweise nicht als unbegründet zurück, sondern bringt die Einspruchsverfahren mit Zustimmung der Einspruchsführer nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO zum Ruhen. Dieses Vorgehen ist aus unserer Sicht sinnvoll und zu begrüßen, denn ansonsten würde den Finanzgerichten eine nicht zu bewältigende "Klagewelle" drohen.

Wir haben nachfolgend eine Formulierungshilfe für einen Einspruch gegen einen Grundsteuerwertbescheid im Bundesmodell für Sie erarbeitet.

 

Formulierungshilfe

Aktenzeichen....

Identifikationsnummer …

Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid, Hauptfeststellung auf den 1.1.2022 vom tt.mm.jjjj

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit lege(n) ich/wir Einspruch gegen den oben genannten Steuerbescheid vom tt.mm.jjjj ein. Den Einspruch begründe(n) ich/wir wie folgt:

Die dem Bescheid zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen des Bewertungsgesetzes sind meines/unseres Erachtens verfassungswidrig.

Die Grundsteuerwerte werden in einem typisierten Verfahren ermittelt. Bei der Wertbestimmung des Grund und Bodens besteht ein Anpassungsverbot an einen evtl. niedrigeren gemeinen Wert, weshalb objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt werden können.

Es besteht auch keine Möglichkeit, durch ein Sachverständigengutachten oder sonstige aussagekräftige Unterlagen den Nachweis zu führen, dass der tatsächliche gemeine Wert niedriger ist. Dies verletzt das verfassungsrechtliche Gebot des Übermaßprinzips. Wenn die Festsetzung der Grundsteuer durch die Gemeinde an den Wert des Grundstücks anknüpfen soll, muss der Wert des Grundstücks realitätsgerecht ermittelt werden.

Die finanziellen Auswirkungen der Grundsteuer stehen zudem erst fest, nachdem die Gemeinden die Grundsteuerbescheide erlassen haben. Dann werden die (anzuf...

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