Entscheidungsstichwort (Thema)

Ohne die erforderliche Signatur elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine nicht mit der erforderlichen elektronischen Signatur versehene elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärung kann als Antrag auf schlichte Änderung zu würdigen sein.

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Einkommensteuerbescheid des Beklagten für 2007 vom 23. Juli 2008.

Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr T. G., werden für das Streitjahr 2007 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – vom 30. April 2007 wurde Herr D beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, ob dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin stattzugeben und das Insolvenzverfahren zu eröffnen sei. In seinem Gutachten vom 29. Mai 2007 (Bl. 10 – 18 der Einkommensteuerakte 2007) kam er zu dem Ergebnis, dass bei dem Ehemann der Klägerin der Insolvenztatbestand der Zahlungsunfähigkeit gegeben sei und dass dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattzugeben und das Insolvenzverfahren zu eröffnen sei. Das Gutachten enthält u. a. auch Ausführungen zu Verträgen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann aus dem Jahr 2003 (Wohnungseinrichtung, 3 Grundstücke in K) und über die Veräußerung einer Eigentumswohnung der Klägerin im Januar 2004 (an Herrn W) und die Veräußerung einer weiteren Eigentumswohnung der Klägerin im März 2007 (an Herrn P. N.).

Über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin wurde sodann am 7. April 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt K bestimmt.

Mit Schreiben vom 17. April 2008 (Bl. 2 f. der Einkommensteuerakte 2007) forderte der Beklagte den Insolvenzverwalter (u.a.) auf, bis spätestens 30. Mai 2008 die Einkommensteuererklärung für 2007 - unter der Steuernummer des Schuldners - abzugeben.

Die Klägerin und/oder ihr Ehemann erhielt(en) keine Aufforderung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung.

Mit Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 23. Juli 2008, der an die Klägerin adressiert war und „für Herrn und Frau T. und U. G.“ erging, wurde die Einkommensteuer auf 11.432 € festgesetzt. Als Besteuerungsgrundlagen wurden Einkünfte des Ehemannes der Klägerin aus Gewerbebetrieb in Höhe von 10.000 €, Einkünfte der Klägerin aus nicht selbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 50.647 € und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin (Grundstücksverkauf an Herrn P. N.) in Höhe von 100.000 € in Ansatz gebracht. In den Erläuterungen wurde Folgendes ausgeführt:

  • „Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung geschätzt, weil Sie trotz Aufforderung bisher keine Steuererklärung/Steueranmeldung abgegeben haben. Reichen Sie bitte Ihre Steuererklärungen/Steueranmeldung unverzüglich nach, denn die Schätzung befreit Sie nicht von Ihrer Erklärungs-/Anmeldungspflicht. Trotz der Schätzung kann eine Steuerstraftat/Steuerordnungswidrigkeit vorliegen. In diesem Fall kann möglicherweise Straffreiheit/Bußgeldfreiheit erlangt werden, wenn eine Steuererklärung/Steueranmeldung nachgereicht wird und die sich hieraus ergebenden Mehrsteuern fristgerecht entrichtet werden. Eine Änderung dieses Bescheides zu Ihren Gunsten ist nur unter bestimmten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, insbesondere nach Einlegung eines Rechtsbehelfs möglich. (...)„

Handschriftlich enthält die Aktenausfertigung des Bescheids nach den Erläuterungen noch folgenden Zusatz:

  • „Sie schulden die nach diesem Bescheid zu entrichtenden Beträge gemeinsam mit ihrem Ehegatten. Für ihren Ehegatten wurde eine Steuerberechnung erteilt.“

Die genannte „Steuerberechnung“ befindet sich auf Bl. 25 f. der Einkommensteuerakte für 2007, und zwar wurde der der Klägerin bekannt gegebene Einkommensteuerbescheid wie folgt abgeändert:

Das Wort „Bescheid“ wurde durchgestrichen und durch das Wort „Steuerberechnung“ ersetzt, die Worte „festgesetzt werden“ wurden ebenfalls durchgestrichen und durch das Wort „Betrag“ ersetzt, die Worte „bitte zahlen Sie spätestens am 28.08.08“ sind ebenfalls durchgestrichen und in den Erläuterungen wird handschriftlich ausgeführt:

  • „es handelt sich nicht um eine Steuerfestsetzung, sondern Steuerberechnung die Grundlage für die Anmeldung zur Tabelle ist“.

Adressiert ist die „Steuerberechnung“ an Herrn K „als Vertreter im Insolvenzverfahren G“.

Am 29. Juli 2008 ging bei dem Beklagten die – nicht mit einer elektronischen Signatur versehene – von Herrn Steuerberater T elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärung der Klägerin und ihres Ehemannes für 2007 ein (das Eingangsdatum hat der Beklagte im Klageverfahren bestätigt, Blatt 66 GA).

Mit Schreiben vom 15. September 2008, beim Beklagten eingegangen am 22. September 2008, teilte der Insolvenzverwalter Herr K mit, er übersende in der Anlage die von Herrn Steuerberater T erstellte Einkommensteuererklärung für die Eheleute G für 2007. Wie dem – als Anlage beigefügten – kompr...

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