Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte eines Flugzeugführers mit wechselnden Einsatzorten

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Flugzeugführer, der von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich einem Flughafen dauerhaft zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die er als Flugzeugführer arbeitsvertraglich schuldet, hat dort seine erste Tätigkeitsstätte (vgl. BFH VI R 40/16 vom 11.04.2019).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 4 Sätze 3-4

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob die Fahrten eines Piloten zum sog. "X 1" im Jahr 2020 Dienstreisen darstellen.

Hinsichtlich der Frage, ob Aufwendungen für Fahrten zum "X 2", Y nach Reisekostenrecht als (weitere) Werbungskosten anzuerkennen sind, haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 06.12.2023 auf deren Berücksichtigung i.H.v. 2.470 € verständigt. Ebenso hat das Finanzamt zugesagt, bisher streitige Steuerberaterkosten i.H.v. 5.170 € als weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.

Der Kläger wird im Streitjahr einzeln nach § 26a EStG veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Pilot. Der Kläger und seine Ehefrau wohnen in der C-Straße, M. In der B-Straße in M unterhält der Kläger ein außerhäusliches Arbeitszimmer.

§ 1 des Arbeitsvertrages des Klägers vom 17.07.1998 lautet:

"(1) Herr A wird ab dem 14.07.1998 als Flugzeugführer eingestellt. Er wird zunächst auf dem Flugzeugmuster A320 in T beschäftigt.

(2) X kann Herrn A auch auf anderen Flugzeugmustern, an anderen Orten sowie vorübergehend bei anderen Unternehmen einsetzen."

Weitere oder ergänzende arbeitsvertragliche Regelungen liegen nach Aktenlage nicht vor. Mit Schreiben vom 05.04.2019 bestätigte die X, dass dem Kläger kein individueller Büro-Arbeitsplatz zur Verfügung stehe und die Bedingungen des Arbeitsvertrages weiter gelten.

Im Streitjahr setzte der Kläger für sämtliche Fahrten vom Ort des außerhäuslichen Arbeitszimmers in M (teils mit Umweg über ein angemietetes Zimmer in R) zum "X 1", Z, sowie zum "X 2" Aufwendungen nach Reisekostenrecht an. Außerdem beantragte er den Abzug von Steuerberaterkosten i.H.v. 5.170 €, die im Zusammenhang mit dem Klageverfahren 8 K 365/20 sowie dem diesem vorangegangenen Einspruchsverfahren wegen Nichtanerkennung von Werbungskosten angefallen waren, als weitere Werbungskosten.

Das X 1 ist ein für X errichteter Gebäudekomplex in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Z (ca. 2 km).

Mit Einkommensteuerbescheid vom 04.03.2022 wurde die Einkommensteuer für 2020 auf 24.834 € festgesetzt.

Hiergegen legte der Kläger am 16.03.2022 Einspruch ein (Eingang am 16.03.2022).

Er führte zur Begründung aus, dass der Flughafen Z nicht die erste Tätigkeitsstätte sei, sondern sich diese am Ort des außerhäuslichen Arbeitszimmers befinde. Dort würden 98,5 % der Arbeitsleistung (rund 11 Stunden/Woche) geleistet, die er nicht im Flugzeug verbringe. Er sei zudem arbeitsvertraglich dem Flughafen T zugeordnet. Schließlich sei ein Flugzeug aufgrund seiner Ortsunfestigkeit nicht als erste Tätigkeitsstätte geeignet.

Mit Einspruchsentscheidung vom 08.06.2022 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Die Räumlichkeiten in der B-Straße, M, schieden als erste Tätigkeitsstätte schon deshalb aus, da es sich nicht um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handele. Auch der Nachweis des Arbeitgebers, dass kein individueller Büro-Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, führe nicht dazu, dass die Räumlichkeiten dem Arbeitgeber zugeordnet werden könnten.

Laut Arbeitsvertrag vom 17.07.1998 werde der Kläger "zunächst" dem Flughafen T zugeordnet; er könne aber auch an anderen Orten eingesetzt werden. Die Tatsache, dass der Kläger in den Streitjahren ausschließlich vom Flughafen Z aus tätig geworden sei, lege nahe, dass die dienst- und arbeitsrechtliche Festlegung des Arbeitgebers auf Flughafen Z geändert worden sei. Auch auf den Bescheinigungen des Medizinischen Dienstes X sei als Dienststelle Z angegeben. Als Pilot sei das Führen eines Flugzeuges die zum Berufsbild gehörende typische Tätigkeit und der Flughafen als Tätigkeitsstätte anzusehen.

Die Prozesskosten seien nach § 12 EStG nicht abzugsfähig.

Mit der Klage vom 23.06.2022 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung führt er aus, dass die Fahrten zum X 1 beruflich veranlasste, auswärtige Fahrten nach § 9 Nr. 4a EStG (sog. Dienstreisen) gemäß LStR 9.5 darstellten.

Seit der Einführung der Elektronik sei bei X am Flughafen Z von dem früheren Postfach kein Gebrauch mehr gemacht worden, da der Einsatzplan und der anstehende Flug vorab dem Piloten auf seinen PC nach Hause gesendet würden. Von dort aus bereite sich der Pilot auf den bevorstehenden Flug vor. X erteile somit dem Piloten den Auftrag, eine Dienstreise (auswärtige Tätigkeit mit dem Flugzeug) durchzuführen. Dazu fahre der Pilot zum Flughafen, melde sich an und treffe sich mit dem/den Copiloten und der Kabinencrew. Danach führen sie gemeinsam mit dem Bus...

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