Entscheidungsstichwort (Thema)

Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c) EStG a.F. sind als negative Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. zu berücksichtigen, wenn zwar eine sichere Mindestverzinsung zugesagt wurde, die jeweilige Gesamtverzinsung aber von dem ungewissen Ereignis abhing, welchen Börsenkurs die in einem bestimmten Aktienkorb bezeichneten Aktien zu den jährlichen Zinszahltagen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten hatten und ob die ausgehend hiervon zu ermittelnde Verzinsung die vereinbarte Mindestverzinsung überstieg.

 

Normenkette

EStG a.F. (2006) § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 Sätze 2, 1 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.11.2012; Aktenzeichen VIII R 40/10)

BFH (Urteil vom 26.06.2012; Aktenzeichen VIII R 40/10)

BFH (Urteil vom 26.06.2012; Aktenzeichen VIII R 40/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen als Verluste gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a.F.) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin ihres am 18.11.2007 verstorbenen Ehemannes. Für das Streitjahr 2006 wurde sie mit diesem zusammenveranlagt.

In den Jahren 2004 und 2005 zeichneten die Klägerin und ihr Ehemann zwei sog. EMTN (= Euro Medium Term Note) Schuldverschreibungen, die von der SGA Société Générale Acceptance N.V. (Curacao, Niederländische Antillen) ausgegeben und von der Société Générale (Paris) garantiert wurden. In den hierzu ausgegebenen Verkaufsprospekten wurden diese als Schuldverschreibungen „mit einem variablen Zinssatz gebunden an einen Korb bestehend aus 25 Aktien deutscher bzw. ausländischer Aktiengesellschaften” bezeichnet. Im Einzelnen ergeben sich aus den Verkaufsprospekten für die beiden Schuldverschreibungen folgende Bedingungen:

Bei der ersten Schuldverschreibung handelte es sich um die EMTN Schuldverschreibung 2004/2011 mit der ISIN (= International Securities Identification Number) DE00SG091G9 (im Folgenden: Schuldverschreibung A). Nach dem Verkaufsprospekt vom 13.8.2004 war der Emissionstag der 8.11.2004. Datum der Endfälligkeit war der 15.11.2011, wobei eine Rückzahlung zu 100 % zugesagt war. Die Schuldverschreibung war verzinst. Der erste Zinszahltag war der 15.11.2005, worauf jährlich ein weiterer Zinszahltag folgte. Der Zinssatz für eine Bewertungsperiode entsprach einem Prozentsatz, der sich an der Wertentwicklung der in einem näher bezeichneten Korb enthaltenen 25 Aktien orientiert und nach den Bestimmungen eines sog. „Pricing Supplement” zu berechnen war. Der Zinssatz entsprach hierbei der niedrigsten in Prozent ausgedrückten Abweichung des Wertes einer der jeweiligen Korbaktien an einem Bewertungstag vom Vorjahreswert (wohl unabhängig davon, ob die Abweichung auf einer positiven oder negativen Kursentwicklung beruhte). Sollte die niedrigste prozentuale Abweichung in einem Jahr weniger als 2 % betragen, entsprach der Zinskupon in diesem Jahr einem Mindestzins i.H.v. 2 % (Verkaufsprospekt, S. 4 ff.). Im (in englischer Sprache abgefassten) „Pricing Supplement” und dort insbesondere in der „Schedule A” wurde die Berechnung des Zinssatzes auf mathematisch genaue Weise definiert (Anlage 1 zum Verkaufsprospekt).

Bei der zweiten Schuldverschreibung handelte es sich um die EMTN Schuldverschreibung 2005/2011 mit der ISIN DE000SG2AX37 (im Folgenden: Schuldverschreibung B). Nach dem Verkaufsprospekt vom 15.3.2005 war der Emissionstag der 3.6.2005. Das Datum der Endfälligkeit war der 9.6.2011, wobei auch hier eine Rückzahlung zu 100 % zugesagt war. Der erste Zinszahltag war der 8.6.2006, worauf ebenfalls jährlich ein weiterer Zinszahltag folgte. Die Schuldverschreibung war in gleicher Weise verzinst wie die Schuldverschreibung A, wobei der Mindestzins hier 1,5 % betrug (Verkaufsprospekt, S. 4 ff.). Auch hier wurde im (in englischer Sprache abgefassten) „Pricing Supplement” und hier insbesondere in der „Schedule A” die Berechnung des Zinssatzes auf mathematisch genaue Weise definiert (Anlage 1 zum Verkaufsprospekt).

Die vollständigen Verkaufsprospekte der beiden Schuldverschreibungen wurden von der Klägerin als pdf-Datei eingereicht und in Form einer CD-ROM zur Gerichtsakte genommen (Bl. 55 der GA). Das FA wurde gebeten, mitzuteilen, wenn es eine Übersendung der vollständigen Dateien wünscht. Die Seiten 1 – 9 („Allgemeines” und „Angaben über die Schuldverschreibungen”) sowie die Anlage 1 („Pricing Supplement”) der beiden Verkaufsprospekte sind als Ausdruck in die Gerichtsakte aufgenommen und auch dem FA übersandt worden (Bl. 36 ff. und 74 ff. der GA).

Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten die Schuldverschreibung A am 29.10.2004 mit Wertstellung zum 8.11.2004 i.H. eines Nominalbetrags von 97.100 EUR. Die Zeichnung erfolgte zu e...

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