Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungssatzes für unverzinsliche Verbindlichkeiten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zinssatz von 5,5% für die Abzinsung von Verbindlichkeiten bzw. von Rückstellungen für Verpflichtungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG ist verfassungsgemäß.

2. Die Wertungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14) zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, soweit er Verzinsungszeiträume bis einschließlich 2013 betrifft, sind auf den Zinssatz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG übertragbar.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 3, 3a Buchst. e), § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1, § 253 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, § 253 Abs. 1 S. 2 Alt. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.12.2022; Aktenzeichen IV R 4/22)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die bilanzielle Behandlung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 (Streitjahr) (Feststellungsbescheid) und dem Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 (Gewerbesteuermessbetragsbescheid).

Die Klägerin, an der nunmehr Herr Q zu 90% und Herr I zu 10% beteiligt sind, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 01.01.1992 gegründet und erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zweck des Unternehmens der Klägerin ist die Entwicklung und der Vertrieb von Soft- und Hardware.

Im Streitjahr ermittelte die Klägerin ihren steuerlichen Gewinn durch einen Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin unterhielt eine Geschäftsbeziehung zu Herrn N, Inhaber der Fa. O. Im Jahr 2010 verklagte Herr N die J GmbH, eine Schwestergesellschaft der Klägerin, und machte gegenüber der Klägerin mit zwei Rechnungen vom 27.04.2010, Rechnungsnummern 10-401-7 und 10-401-6, einen Betrag i.H.v. insgesamt 50.988,75€ netto (34.778,75€ + 16.210€) bzw. 60.679,62€ brutto (41.389,72€ + 19.289,90€) für geschätzte Umsätze 2009 bis 24.04.2010 geltend; die Klägerin bestritt die Höhe dieser Forderungen. Im Jahr 2013 machte Herr N u.a. gegenüber der Klägerin schriftlich einen Betrag i.H.v. insgesamt 164.563,74€ geltend. Am 16.12.2013 vereinbarten N und u.a. die Klägerin einen Verzicht auf die „Einrede der Verjährung bei derzeit ausgesetzten Gerichtsverfahren sowie bei offenen Forderungen im Rahmen der Auflösung der Kooperation”.

Zudem unterhielt die Klägerin eine Geschäftsbeziehung zu der in Dänemark ansässigen Fa. B.

Mangels Abgabe von Steuererklärungen erließ der Beklagte im Schätzungswege u.a. den Feststellungsbescheid 2013 vom 09.09.2015 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2013; beide Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Im Jahr 2016 führte der Beklagte bei der Klägerin für die Jahre 2011 bis 2013 eine Betriebsprüfung (Bp) durch.

Während der Bp gab die Klägerin im April 2016 auch die Steuererklärungen des Streitjahres ab. Im Streitjahr bilanzierte die Klägerin zum 31.12.2013 u.a. Verbindlichkeiten gegenüber der B i.H.v. 20.390,51€ sowie sonstige Rückstellungen u.a. hinsichtlich „N, ausstehende Rechnungen” i.H.v. 64.000€ und „Rechtsstreit N „ i.H.v. 5.000€ sowie Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Herrn N bzw. der Fa. O i.H.v. 65.515,08€. Das Kreditorenkonto 71300 der Jahre 2011 bis 2013 hinsichtlich der Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber Herrn N bzw. der Fa. O weist die mit den Rechnungen vom 27.04.2010 geltend gemachten Beträge nicht aus.

Im Rahmen der Bp kam der Prüfer im Wesentlichen zu folgenden Feststellungen: Hinsichtlich der Verbindlichkeit gegenüber der Fa. B i.H.v. 20.390,51€ seien trotz Aufforderung keine Nachweise eingereicht worden (Tz. 2.6). Hinsichtlich der Rückstellung i.H.v. 65.000€ seinen trotz Aufforderung keine Nachweise eingereicht worden (Tz. 2.8).

In der Schlussbesprechung wurde u.a. hinsichtlich der in Tz. 2.6 und 2.8 genannten Feststellungen keine Einigung erzielt; die Klägerin erhielt bis Ende Juli 2016 Gelegenheit, entsprechende Nachweise einzureichen.

Für weitere Einzelheiten wird auf die BP-Berichte vom 05.08.2016 und 05.12.2016 Bezug genommen.

Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des Beklagten übersandte Herr N mit Schreiben vom 26.09.2016 u.a. eine tabellarische Aufstellungen der Kundensalden „Q” vom 26.09.2016, ausweislich der die Ausgangsrechnungen vom 27.04.2010, Rechnungsnummer 10-401-6 und 10-401-7 als „bezahlt” markiert und nicht in dem Saldo der offenen Beträge enthalten sind.

Ausweislich einer in englischer Sprache verfassten E-Mail der Fa. B vom 25.11.2016 besteht zwischen der Klägerin und der Fa. B Einvernehmen über ausstehende Gelder seit 2010 dahingehend, dass der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt wird, ausstehende Gelder zurückzuzahlen sobald es die Geschäfte und die Situation erlaubt.

In Umsetzung der Feststellungen der Bp erließ der Beklagte a...

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