Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruchsberechtigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Einsitzen in Untersuchungshaft führt nicht zu einer Unterberechung der Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG, wenn das Ausbildungsverhältnis rechtlich fortbestanden hat. Eine Zeit der Untersuchungshaft ist nicht anders zu behandeln, als eine Zeit der Erkrankung, wenn und solange die rechtliche Bindung zur Ausbildungsstätte fortbesteht.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, § 63 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 20.07.2006; Aktenzeichen III R 69/04)

BFH (Urteil vom 20.07.2006; Aktenzeichen III R 69/04)

 

Tatbestand

Streitig ist noch, ob der Klägerin (Klin.) für ihren Sohn X… für 2001 und 2002 Kindergeld zusteht.

Der Sohn der Klin., der am 29.10.1980 geboren ist, befand sich ab 01.08.1999 in Berufsausbildung als Metallbauer bei der Firma F… GmbH in A-Stadt. Voraussichtliches Ende der Berufsausbildung war der 31.01.2003. In der Zeit vom 03.09.2001 – 21.05.2002 saß X… in Untersuchungshaft in Polen ein. Auf seinen und des Ausbildungsbetriebs Antrag ist die Ausbildungszeit um 7 Monate, d. h. bis zum 31.08.2003 verlängert worden (vgl. Bl. 75 der Kindergeldakte).

Aus der vorgelegten Bescheinigung über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung vom 11.07.2003 ist ersichtlich, dass der Ausbildungsbetrieb für den Zeitraum 01.10.2001 bis 31.10.2002 keine Ausbildungsvergütung bezahlt hat. Auf die vorgelegte Bescheinigung vom 11.03.2003 wird Bezug genommen (Bl. 79 der Kindergeldakte).

Die Beklagte (Bekl.) ging davon aus, dass X… seine Berufsaubildung vom 01.10.2001 bis 31.10.2002 unterbrochen hat, mit der Folge, dass er sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung befunden habe und somit für diesen Zeitraum kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

In der Zeit von Januar 2001 bis September 2001 betrugen X…s Einkünfte insgesamt 6.501,58 Euro (7.268,52 Euro ./. anteilige Werbungskostenpauschale für neun Monate von 766,94 Euro). Da nach Auffassung der Bekl. die Berufsausbildung nicht das ganze Jahr andauerte, ging sie davon aus, dass wegen der Überschreitung des anteiligen Grenzbetrags (hier: 5.383,90 Euro) kein Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Von November 2002 bis Dezember 2002 betrugen X…s Einkünfte insgesamt 1.576,76 Euro (1.750,76 Euro ./. anteiliger Werbungskostenpauschale für zwei Monate von 174 Euro) und überstiegen ebenfalls den maßgeblichen Grenzbetrag von 1.198 Euro, so dass nach Auffassung der Bekl. auch für diesen Zeitraum kein Kindergeldanspruch besteht.

In der Zeit von Januar bis Juni 2003 überstiegen nach Auffassung der Bekl. die Einkünfte von X… den maßgeblichen Grenzbetrag von 3.594 Euro ebenfalls. X… hatte nämlich unstreitig Einkünfte in Höhe von 5.872,20 Euro abzgl. Werbungskostenpauschbetrag von 522 Euro = 5.350,20 Euro. Die Einkünfte setzen sich zusammen aus der Ausbildungsvergütung von 3.244,92 Euro (2 × 493,40 Euro = 986,80 Euro; 4 × 544,53 Euro = 2.178,12 Euro; Urlaubsgeld 80 Euro) sowie 2.627, 28 Euro für Überstunden; wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung vom 11.07.2003 Bezug genommen (Bl. 79 der Kindergeldakte).

Mit Bescheiden vom 17.09.2003 und 08.10.2003 hob die Bekl. die Kindergeldfestsetzung für X… ab Januar 2001 auf. Von Januar 2001 bis September 2001, von November 2002 bis Dezember 2002 und von Januar 2003 bis Juni 2003 habe kein Anspruch auf Kindergeld bestanden, da die maßgebliche Einkommensgrenze überschritten worden sei, für die Zeit von Oktober 2001 bis Oktober 2002 bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, da die Ausbildung unterbrochen worden sei. Die Bekl. forderte Kindergeld in Höhe von insgesamt 3.658,60 Euro zurück (1.656,60 Euro für 2001, 1.848 Euro für 2002 und 154 Euro für Januar 2003). Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Bescheide vom 17.09.2003 und vom 08.10.2003 (Bl. 85 f. und Bl. 90 f. der Kindergeldakte).

Die Klin. legte Einspruch ein. Sie habe der Bekl. die Arbeitgeberbescheinigungen vorgelegt und nach ihrer Berechnung ergebe sich, dass der maßgebliche Grenzbetrag nicht überschritten sei. Sie habe keinen Anlass gehabt, die Richtigkeit der Arbeitgeberbescheinigungen anzuzweifeln und sei daher im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Kindergelds in gutem Glauben gewesen. Das Kindergeld sei nach Vereinnahmung zur Bestreitung des Familienunterhalts verbraucht worden. Sie sei deshalb entreichert.

Die Bekl. wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die EE vom 26.11.2003 Bezug genommen, Bl. 95 ff. der Kindergeldakte.

Die Klin. erhob Klage und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht. Sie habe gegenüber der Bekl. im Rahmen der Antragstellung auf Kindergeld weder wissentlich noch in sonst vorwerfbarer Weise falsche Angaben gemacht, sondern lediglich die ihr vom Arbeitgeber ihres Sohnes ausgefüllt übergebenen Arbeitgeberbescheinigungen weitergeleitet. Das Finanzgericht hat dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zum überwiegenden Teil stattgegeben. Wegen der Einzelheiten wird au...

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