Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung Pflicht zur Kontenwahrheit durch Kreditinstitut

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Eine Haftung nach § 72 AO kommt nicht in Betracht, soweit die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nicht durch eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 154 Abs. 3 AO beeinträchtigt wurde.

2.) Ein Steuerschuldner, dem lediglich eine Vollmacht über ein fremdes Konto eingeräumt wurde, ist nicht Inhaber des Kontos. Auszahlungen des kontoführenden Kreditinstituts von diesem gepfändeten Konto sind daher nicht geeignet, eine Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gegen den Steuerschuldner zu beeinträchtigen.

 

Normenkette

AO § 154 Abs. 3, § 72

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2011; Aktenzeichen VII R 49/10)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Kreditinstitut gemäß § 72 Abgabenordnung (AO) wegen Verletzung der Pflicht zur Kontenwahrheit im Haftungswege in Anspruch genommen werden kann.

Herr A. war früher für eine B. GmbH (GmbH) tätig. Gegenstand des Unternehmens war der Entwurf, die Planung und Ausführung von … arbeiten. Diese GmbH war mit Gesellschaftsvertrag vom 09.12.1989 gegründet und am 13.02.1990 im Handelsregister des Amtsgerichts C. unter HRB … eingetragen worden. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war seine Ehefrau D.. Die GmbH hatte am 05.03.1993 bei der Klägerin (Klin.) ein Geschäftskonto unter der Nr. xxx eröffnet. Herr A. war zur Verfügung über dieses Konto berechtigt.

Die GmbH wurde später insolvent. Mit Beschluss des Amtsgerichts C. wurde am 03.12.1996 der Antrag auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt. Die entsprechende Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 29.01.1997. Die GmbH wurde am 11.07.1997 von Amts wegen gelöscht. Das genannte Konto beim Postgiroamt E. mit der GmbH als Inhaberin blieb in der Folgezeit bestehen.

Herr A. hatte aus der Zeit vor Gründung der GmbH hohe Steuerschulden, die sich auf einschließlich Säumniszuschlägen 754.248,02 EUR beliefen. Nach Löschung der GmbH war er in der Weise weiter tätig, dass von der Tochter G. ein Unternehmen unter der Bezeichnung „H.-Handel” betrieben wurde, das faktisch von Herrn A. geführt wurde. Frau G. befand sich ab September 2003 für 3 Jahre in Ausbildung als Krankenschwester/Krankenpflegerin. Soweit eine Unterschrift im Unternehmen „H.-Handel” aus formalen Gründen zwingend erforderlich war, wurde diese von Frau G. geleistet. Am 09.05.2005 gab sie die eidesstattliche Versicherung ab. Ein in einem Insolvenzeröffnungsverfahren – Az.: … IN …/05 des Amtsgerichts F. – eingeschalteter Sachverständiger kam in seinem Gutachten vom 17.02.2006 u. a. zu dem Ergebnis, dass eine die Kosten eines Insolvenzverfahrens deckende Insolvenzmasse nicht vorhanden war.

Zur Abwicklung des Geldverkehrs im Unternehmen „H.-Handel” hatte sich Herr A. des bei der Klin. geführten Kontos mit der Nr. xxx bedient, das weiterhin auf den Namen „B. GmbH” lautete. Nach Auffassung des Finanzamts (FA) war dieses Konto Herrn A. persönlich zuzurechnen. Am 21.09.2005 pfändete es wegen dessen Steuerrückständen alle dem Herrn A. gegenwärtig und künftig gegen die Klin. zustehenden Ansprüche, Forderungen und Rechte aus dem bei der Klin. geführten Konto unter der Nr. xxx und ordnete die Einziehung der gepfändeten Ansprüche, Forderungen und Rechte an. Dabei wies es darauf hin, dass das Konto zwar auf den Namen der „B. GmbH” laute, dass Herr A. aber für dieses Konto verfügungsberechtigt sei. Die GmbH sei bereits gelöscht, weil der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens per Beschluss des Amtsgerichts C. am 03.12.1996 mangels Masse abgewiesen worden sei. Daher sei das Konto Herrn A. persönlich zuzurechnen. Weiter wies das FA darauf hin, dass die Klin., soweit die Ansprüche, Forderungen und Rechte gepfändet seien, nicht mehr an Herrn A. leisten dürfe. Die Klin. habe sich jeder Verfügung über die Ansprüche, Forderungen und Rechte, soweit sie gepfändet seien, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten. Zugestellt wurde diese Verfügung am 26.09.2005.

Auf die Rückäußerung der Klin., dass das genannte Konto nicht für Herrn A. geführt werde und dass damit die Pfändung unbeachtlich sei, leitete das FA am 21.10.2005 der Klin. einen Auszug aus dem Handelsregister des Amtsgerichts C. zu, aus dem die Löschung der GmbH zu ersehen war.

Die Klin. war weiterhin der Auffassung, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 21.09.2005 ins Leere gegangen sei, weil das Konto auf den Namen der GmbH gelautet habe, wohin gegen Steuerschuldner Herr A. persönlich gewesen sei.

Am 16. Januar 2006 wurde das Konto von der Klin. gekündigt.

Das FA ging davon aus, dass das Konto ab Zustellung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung am 26.09.2005 mit folgenden Beträgen belastet wurde:

Auszahlungen bis 31.10.2005

39.750,00 EUR

Gutschriften bis 25.10.2005

38.581,50 EUR

Auszahlungen bis zur Kündigung (geschätzt)

30.000,00 EUR

gesamt:

108.331,50 EUR

Das FA sah in der Nichtbeachtung der Pfändungsverfügung einen Verstoß gemäß § 154 AO. T...

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