Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug tatsächlich gezahlter Beiträge an eine keine Kirchensteuer erhebende Religionsgemeinschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Kirchensteuer bemisst sich nach der vom Finanzamt unter Anrechnung etwaiger Körperschaft- und Kapitalertragsteuern für das Kalenderjahr festgesetzten Einkommensteuer.

2. Steuerpflichtige, die einer Freikirche oder sonstigen mindestens in einem Bundesland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaft angehören, können ihre tatsächlich gezahlten Mitgliedsbeiträge in dem Umfang als Sonderausgaben abziehen, in dem - bei gedanklich unterstellter Zugehörigkeit zu einer Kirchensteuer erhebenden Kirche - Kirchensteuer angefallen wäre.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 5-6, § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 51a; EStR 1994 Abschn. 101; KiStG/NW § 4; AO § 163 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.10.2001; Aktenzeichen XI R 52/00)

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensbesteuerung die Berücksichtigung von Kirchenbeiträgen.

Die Klägerin (Klin.) und ihr Ende 1996 verstorbener Ehemann H sind bzw. waren Mitglieder der freien evangelischen Gemeinde, die dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zugehört. Alleinerbe des Hist sein Sohn geworden.

Nach der im Rahmen der Einkommensteuer(ESt)-Veranlagung für 1994 eingereichten Bescheinigung der Kirchengemeinde zahlten die Eheleute im Jahre 1994 für kirchliche Zwecke an die Kirchengemeinde DM. Darüber hinaus leisteten sie an eine Reihe anderer gemeinnütziger Einrichtungen Spenden in Höhe von DM.

Das Finanzamt setzte durch Bescheid vom 28.03.1996 die ESt auf DM fest. Dabei hatte es von dem an die freikirchliche Gemeinde gezahlten Gesamtbetrag einen Teilbetrag von DM als "gezahlte Kirchensteuer” und den verbleibenden Differenzbetrag als Spende gem. § 10 b Einkommensteuergesetz (EStG) angesetzt. Den Kirchensteueransatz hatte das Finanzamt auf der Grundlage von 9 % des zu leistenden ESt-Vorauszahlungssolls von DM entsprechend dem Vorauszahlungsbescheid vom 20.10.1994 ermittelt.

Mit ihrem Einspruch begehrten die Eheleute den als Kirchensteuer abzugsfähigen Betrag nach den tatsächlich geleisteten ESt-Zahlungen zu bemessen. Zur Begründung verwiesen sie auf das in EFG 1994, S. 99 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts Münster vom 04.08.1993 Az. 11 K 4943/92 E. In dem Urteil hatte das Finanzgericht der Klage der Eheleute auf Berücksichtigung der gezahlten Kirchenbeiträge bei der ESt-Festsetzung für 1990 teilweise entsprochen. Von diesem Urteil ausgehend müßten auch die bei der Veranlagung zur ESt 1994 anrechenbaren Körperschaftsteuern und Kapitalertragsteuern in die Bemessungsgrundlage mit einbezogen werden, was nach ihrer Berechnung im Schriftsatz vom 01.03.1996 einen als Kirchensteuer zu behandelnden Betrag von DM ergebe. In dem sich anschließenden Schriftwechsel erklärte sich das Finanzamt bereit, die als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG anzuerkennenden Kirchenbeiträge auf der Grundlage der im Vorauszahlungsbescheid vom 20.10.1994 festgesetzten Jahreseinkommensteuer von DM zuzüglich der angepaßten ESt-Vorauszahlung 1993 DM) und der Abschlußzahlung 1992 (DM) anzusetzen. Bei Mitgliedern steuerberechtigter Kirchen werde die Kirchensteuer ebenfalls nur nach der ESt vor Abzug von Kapitalertragsteuern und Körperschaftsteuern errechnet. Die Eheleute blieben dagegen bei ihrer Berechnung.

In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 24.07.1996 berücksichtigte das Finanzamt Kirchenbeiträge in Höhe von DM (9 % von DM + DM + DM) als im Billigkeitswege wie gezahlte Kirchensteuern als Sonderausgaben bei der ESt-Festsetzung der Eheleute für 1994. Den darüber hinaus gehenden Einspruch wies das Finanzamt mit der Begründung zurück, Zweck der Billigkeitsregelung des Abschnitts 101 Abs. 1 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) sei es, die Mitglieder der Freikirchen im Rahmen des Sonderausgabenabzugs den Mitgliedern kirchensteuererhebender Kirchen in etwa gleich zu stellen; nicht aber sie besser zu stellen. Ein Mitglied einer kirchensteuerhebeberechtigten Kirche hätte in 1994 auf die voraussichtlich festzusetzende ESt von DM Kirchensteuer vorausgezahlt; Steueranrechnungsbeträge wie Körperschaftsteuer oder Kapitalertragsteuern wären dabei unbeachtet geblieben. Im konkreten Fall sei die genannte Bemessungsgrundlage noch um die nachträglichen ESt-Vorauszahlungen für 1993 in Höhe von DM sowie um die Abschlußzahlung 1992 in Höhe von DM auf DM zu erhöhen (davon 9 % = DM). Der Restbetrag von DM sei als Spende im Rahmen der gesetzlichen Begrenzung des § 10 b EStG abziehbar. In dem geänderten ESt-Bescheid vom 14.08.1996 setzte das Finanzamt die ESt auf DM fest.

Mit der Klage verfolgen die Kl. (Klin. und ihr Sohn als Gesamtrechtsnachfolger des H) ihr Begehren weiter. Den Änderungsbescheid vom 14.08.1996 haben sie durch Antrag nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Zur Begründung tragen sie vor, die Verwaltung habe sich durch die Billigkeitsregelung in Abschnitt 101 E...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge