Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitswert eines unbebauten Grundstücks

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Gebäude im bewertungsrechtlichen Sinne ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden ist und von einiger Beständigkeit sowie standfest ist.

2. Ein Grundstück ist bewertungsrechtlich als unbebaut zu qualifizieren, wenn ein aufstehendes Gebäude zwar noch vorhanden, aber auf Dauer nicht nutzbar ist. Benutzbarkeit setzt voraus, dass Fenster und Türen eingebaut und Anschlüsse für die Strom- und Wasserversorgung sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden sind.

3. Es reicht für die Einheitsbewertung als bebautes Grundstück nicht aus, dass das Gebäude in seinem konkreten Zustand irgendeiner gebäudetypischen Nutzung (z.B. als Lager) dienen kann, sondern es kommt auf die bestimmungsgemäße Nutzung an.

 

Normenkette

BewG § 17 Abs. 3, § 68 Abs. 2 Nr. 2, §§ 72, 74, 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob der Grundbesitz I-Straße in E-Stadt für Zwecke der Einheitsbewertung auf den 01.01.2013 als bebautes oder unbebautes Grundstück einzustufen und in welcher Höhe der Einheitswert dementsprechend festzustellen ist.

Die Klägerin erwarb den Grundbesitz I-Straße in E-Stadt durch notariellen Vertrag vom 20.12.2012 mit Wirkung zum 01.01.2013. Es handelt sich um den Teil eines ehemaligen Kasernengeländes, auf dem sich das ehemalige Unteroffiziersheim befindet. Die Nutzung durch die Bundeswehr erfolgte bis Anfang der 2000er Jahre; anschließend stand das Gebäude leer. Nach Stilllegung der Kaserne wurde die Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung über die Erschließung auf dem Kasernengelände in 2001 komplett gekappt (vgl. Vermerk D. vom 22.01.2016, Einheitswertakte, Blatt 10).

Durch notariellen Vertrag vom 16.01.2013 wurde der Grundbesitz an den Beigeladenen weiterveräußert und das Gebäude anschließend in mehreren Bauabschnitten renoviert. Nach Abschluss des ersten Bauabschnitts und Wiederanschluss an die Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung über die Versorgungsleitungen der benachbarten Wohngebiete in 2014 wird das Gebäude seit dem 01.09.2014 als Zentrum für Gesundheitsberufe zur Fort- und Weiterbildung genutzt.

Der Beklagte führte durch Bescheid vom 28.09.2015 auf den 01.01.2013 eine Nachfeststellung durch und stellte für den Grundbesitz einen Einheitswert in Höhe von 531.700 DM im Sachwertverfahren fest, wobei er das Grundstück als Geschäftsgrundstück bewertete und der Klägerin zurechnete. Auf den Einspruch der Klägerin vom 16.10.2015 war die Bewertung des streitgegenständlichen Grundbesitzes Gegenstand von Gesprächen zwischen dem Prozessbevollmächtigten, dem Beklagten und dem Bausachverständigen des Beklagten. Zu den Einzelheiten wird auf den Vermerk D. in der Einheitswertakte (Blatt 10, 10R und 11) Bezug genommen.

Die Feststellung des Einheitswerts änderte der Beklagte durch Bescheid vom 11.01.2017 (Mittwoch) unter Herabsetzung des Bodenwerts, Veränderung der Wertzahl und ohne Abschlag für Großobjekte und stellte den Einheitswert auf 450.700 DM als Geschäftsgrundstück fest. Der Bodenwert wurde mit 16.893 DM ermittelt. Der Beklagte sah damit den Einspruch als erledigt an.

Mit dem dagegen erhobenen Einspruch vom 15.02.2017 machte die Klägerin geltend, die Bewertung müsse als unbebautes Grundstück erfolgen. Das aufstehende Gebäude sei zum Stichtag 01.01.2013 weder benutzbar i. S. d. § 72 Abs. 3 Bewertungsgesetz (BewG) noch bezugsfertig i. S. d. § 72 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewG gewesen. Die Frage der Benutzbarkeit bzw. der Bezugsfertigkeit sei dabei nach denselben Kriterien zu beurteilen. Maßgeblich sei die Durchführung der wesentlichen Bauarbeiten, wozu auch die Anschlüsse an die Strom- und Wasserversorgung, Heizung und sanitäre Einrichtungen gehörten. Diese notwendigen Voraussetzungen der Bezugsfertigkeit hätten bei dem Unteroffiziersheim zum Stichtag nicht vorgelegen, da weder die Ver- und Entsorgung des Grundstücks noch die notwendigen Installationen vorhanden gewesen seien. Deshalb seien in den Gesprächen mit dem Bausachverständigen sämtliche Kompaniegebäudegrundstücke im Gegensatz zu den benutzbaren Technikgrundstücken als unbebaute Grundstücke angesehen worden. Die Klägerin verwies dazu auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.05.2003 II R 14/01, BStBl. 2003, 906.

Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 02.05.2018 (Mittwoch) als unbegründet zurück. Entscheidend für die bewertungsrechtliche Einordnung als Gebäude sei, dass das Bauwerk Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewähre, den Aufenthalt von Menschen gestatte, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und standfest sei. Diese Merkmale erfülle das streitgegenständliche Unteroffiziersheim ausnahmslos. Ein Gebäude verliere seine Gebäudeeigenschaft auch nicht dadurch, dass bauliche Unzulänglichkeiten den Aufenthalt von Menschen e...

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