Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der ab 2019 verwirkten Säumniszuschläge

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Es bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, soweit sie nach dem 31.12.2018 entstanden sind, weil insoweit die Höhe des darin enthaltenen Zinsanteils zweifelhaft ist.

2) An der Rechtmäßigkeit der vor dem 1.1.2019 verwirkten Säumniszuschläge bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel.

 

Normenkette

FGO § 69; AO §§ 233a, 238; GG Art. 3 Abs. 1; AO § 240

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.05.2022; Aktenzeichen V B 4/22 (AdV))

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der in den Abrechnungsbescheiden ausgewiesenen Säumniszuschläge.

Die Antragstellerin ist eine GmbH & Co. KG. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist die Vermietung.

Am 00.00.2019 stellte der Antragsgegner beim Amtsgericht den Antrag, über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Am 26.03.2021 beantragte die Antragstellerin die Erteilung von Abrechnungsbescheiden für alle ab dem 01.01.2010 angefallenen Säumniszuschläge und beantragte zudem die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung in Bezug auf diese Säumniszuschläge mit der Begründung, dass der in den Säumniszuschlägen enthaltene Zinsanteil verfassungswidrig zu hoch sei. Zudem beantragte sie den Erlass der Säumniszuschläge insoweit, wie diese Druckcharakter hätten, der angesichts der Situation der Antragstellerin, manifestiert durch den vom Antragsgegner gestellten Insolvenzantrag, ins Leere gehe. Seit dem 00.00.2016 habe sie, die Antragstellerin, keine Zahlung mehr geleistet.

Daraufhin erteilte der Antragsgegner am 27.04.2021 die begehrten Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

In den Abrechnungsbescheiden waren Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer wie folgt ausgewiesen:

Säumniszuschläge Stand 27.04.2021

gezahlt bzw. erstattet

offen

Umsatzsteuer Mai 2013

X €

-X €

0,00 €

Umsatzsteuer 2014

X €

-X €

0,00 €

Umsatzsteuer 2015

X €

-X €

0,00 €

Umsatzsteuer 2016

X €

0,00 €

X €

Umsatzsteuer 2. Quartal 2016

X €

0,00 €

X €

Umsatzsteuer 3. Quartal 2016

X €

0,00 €

X €

Umsatzsteuer 3. Quartal 2016

X €

0,00 €

X €

Umsatzsteuer 2017

X €

-X €

0,00 €

Von diesen Säumniszuschlägen waren ausweislich der Verwaltungsvorgänge und der Aufstellung des Antragsgegners vom 21.12.2021 die Säumniszuschläge wie folgt entstanden:

Säumniszuschläge Stand 27.04.2021

davon vor dem 01.01.2019 entstanden

davon nach dem 31.12.2018 entstanden

Umsatzsteuer Mai 2013

X €

X €

0 €

Umsatzsteuer 2014

X €

X €

0 €

Umsatzsteuer 2015

X €

X €

0 €

Umsatzsteuer 2016

X €

X €

X €

Umsatzsteuer 2. Quartal 2016

X €

X €

X €

Umsatzsteuer 3. Quartal 2016

(fällig 00.00.2016)

X €

X €

X €

Umsatzsteuer

3. Quartal 2016

(fällig 00.00.2016)

X €

X €

X €

Umsatzsteuer 2017

X €

X €

X €

Gegen die Abrechnungsbescheide legte die Antragstellerin am 11.05.2021 Einspruch ein, über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der Abrechnungsbescheide. Diese Anträge lehnte der Antragsgegner am 14.06.2021 ab und teilte der Antragstellerin mit, dass die Einsprüche wegen des beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens VII R 55/20 ruhen würden.

Die Antragstellerin hat daraufhin am 12.07.2021 den vorliegenden Antrag auf Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung der Abrechnungsbescheide gestellt.

Mit Schreiben vom 16.07.2021 an das Amtsgericht hat der Antragsgegner den gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für erledigt erklärt. Mit weiterem Schreiben vom 30.07.2021 hat der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Teilerlass inzwischen umgesetzt worden sei. Danach ist der Erlass wie folgt ermittelt worden:

Steuerart/-jahr

Fälligkeit

Ende Berechnungszeitraum (für den Erlass)

Säumniszuschläge

Erlass

Umsatzsteuer 2014

00.00.2017

00.00.2017

X €

X €

Umsatzsteuer 2015

00.00.2017

00.00.2017

X €

X €

Umsatzsteuer 2016

00.00.2017

00.00.2019

X €

X €

Umsatzsteuer 2. Quartal 2016

00.00.2016

00.00.2021

X €

X €

Umsatzsteuer 3. Quartal 2016

00.00.2016

00.00.2021

X €

X €

Umsatzsteuer 3. Quartal 2016

00.00.2016

00.00.2016

X €

X €

Umsatzsteuer 2017

00.00.2018

00.00.2019

X €

X €

Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihres Antrages vor, dass ernstliche Zweifel im Hinblick auf den in den Säumniszuschlägen enthaltenen Zinscharakter bestünden. Dieser Auffassung sei der BFH in den Verfahren VII B 13/21 (ADV) und VII B 54/21 (ADV) gefolgt. Die bisher (teilweise) durchgeführten hälftigen Erlasse der Säumniszuschläge beträfen ausschließlich den Druckcharakter und berührten nicht den Zinsanteil der Säumniszuschläge, dessen Aussetzung/Aufhebung mit dem vorliegenden Verfahren begehrt werde. Wenn aufgrund der verfassungswidrigen Zinshöhe die Regelung der Säumniszuschläge nicht verfassungsgemäß sei, so seien die Säumniszuschläge zu 100 % auszusetzen.

Sie macht zudem geltend, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum Klage zur Umsatzsteuer erhoben worden sei, die beim 5. S...

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