Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerstreitende Steuerfestsetzung. keine irrige Sachverhaltsbeurteilung bei Anwendung anderer Schätzungsmethode. jahresbezogener oder periodenübergreifender „bestimmter Sachverhalt”. Gewinnfeststellung 1978 – 1981 und 1983. Gewerbesteuermeßbetrag '1978, 1980, 1981 und 1983. Umsatzsteuer 1978, 1980 und 1981. Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1978, 1980 und 1983

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lediglich eine andere, aber keine „irrige Beurteilung” eines Sachverhalts i. S. von § 174 Abs. 4 AO 1977 liegt vor, wenn das FA die vom Steuerpflichtigen erzielten Gewinne und Umsätze fehlerhaft mit einer anderen Schätzungsmethode (Gesamt-Geldverkehrsrechnung statt Nachkalkulation) als der Gutachter des FG ermittelt hat.

2. Zur Frage, ob bei der Schätzung von Umsätzen und Gewinnen über mehrere Jahre hinweg für jedes Veranlagungsjahr ein getrennt zu sehender „Sachverhalt” i. S. von § 174 Abs. 4 AO 1977 vorliegt oder ob über die Jahre hinaus ein einheitlich zu sehender, für die Besteuerung maßgeblicher Sachverhaltskomplex vorliegt, mit der Folge, dass das FA z. B. nach einer geänderten Periodenzuordnung einzelner Geschäftsvorfälle durch das FG die entsprechenden Bescheide ändern darf.

 

Normenkette

AO 1977 § 174 Abs. 4 Sätze 1-2, § 162 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.02.2002; Aktenzeichen X R 59/98)

 

Tenor

1. Die Gewinnfeststellungsbescheide 1978 bis 1981 und 1983 jeweils vom 10. Mai 1990, die Umsatzsteuerbescheide 1978, 1980 und 1981 jeweils vom 29. Mai 1990, die Gewerbesteuermeßbetragsbescheide 1978 und 1980 jeweils vom 29. Mai 1990 sowie 1981 vom 6. Juni 1990 und 1983 vom 25. Juni 1990 und die Bescheide über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags 1978 und 1980 jeweils vom 29. Mai 1990 und 1983 vom 12. Juli 1990 jeweils in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist insbesondere, ob bzw. inwieweit das beklagte Finanzamt Steuerbescheide nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) zu Recht geändert hat.

Mit Kaufvertrag vom … 1976 erwarb der Kläger von Frau … den Laden … in der … in …. Der Kläger übernahm dieses Textil-Einzelhandelsgeschäft am … 1977. Die Geschäfte wurden zunächst im wesentlichen von Frau … geführt. Zum … 1980 wurde Frau … (jetzt: …) als weitere Geschäftsführerin für den Laden in … eingestellt.

Am 30…/1… 1997 eröffnete der Kläger eine Filiale in … deren Geschäfte die geschiedene Ehefrau des Klägers führte. 1985 wurde dieser Laden aufgegeben. Im April 1979 eröffnete der Kläger im Keller des … in … eine Verkaufsabteilung …, die Ende 1979 wieder eingestellt wurde. Ab 1981 kaufte er unter dem Namen … in Italien … ein, die zum Teil über Vertreter vertrieben wurden. Zum Teil handelte es sich um Kommissionsware.

In der Zeit vom 26. Mai bis 12. Juni 1981 führte das beklagte Finanzamt beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1977 bis 1979 (bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens und bei der Vermögensteuer bis 1. Januar 1980) durch. Aufgrund einer Gesamt-Geldverkehrsrechnung kam der Betriebsprüfer auf einen ungeklärten Fehlbetrag von „etwa 80.000 DM” (1977: 30.000 DM, 1978: 25.000 DM, 1979: 25.000 DM). Auf den Betriebsprüfungsbericht vom 23. Dezember 1981 sowie auf die Einspruchsentscheidung vom 13. September 1984, die wegen der aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen Steuerbescheide und Rechtsbehelfe hiergegen ergangen ist, wird gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) verwiesen.

In der Zeit vom 31. Mai 1983 bis 27. März 1984 führte das beklagte Finanzamt (mit Unterbrechungen) eine Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 1977 bis 1982 durch, bei der die Prüfer mit Hilfe des Gesamtvermögensvergleichs für die geprüften Jahre erhebliche Einnahmeverkürzungen ermittelten. Auf den Prüfungsbericht vom 30. März 1984 wird gemäß § 105 Abs. 3 FGO verwiesen. Im Anschluß an die Fahndungsprüfung erließ das beklagte Finanzamt entsprechende Gewinnfeststellungs-Änderungsbescheide 1977 bis 1982 vom 11. Mai 1984, Umsatzsteuer-Änderungsbescheide 1977 bis 1982 sowie geänderte Gewerbesteuermeßbescheide 1977, 1979 bis 1982 jeweils vom 30. Mai 1984.

Die hiergegen erhobenen Einsprüche hatten für das Jahr 1982 teilweise Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 13. September 1984). Im anschließenden Klageverfahren, in dem sich der Kläger weiterhin gegen die Hinzuschätzungen wandte, erstellte der Sachverständige beim Finanzgericht … (S.), unter dem Datum vom 19. Dezember 1986 ein Gutachten, auf das gemäß § 105 Abs. 3 FGO verwiesen wird. Er führte neben einem Gesamtvermögensvergleich auch eine Nachkalkulation (Schätzung nach dem inneren Betriebsvergleich) durch und kam zu dem Ergebnis, daß eine Nach...

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