Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Istversteuerung bei einer Steuerberatungs-GmbH. Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass einer Steuerberatungs-GmbH, die Kraft Gesetzes nicht freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern gewerblich tätig ist, nicht die Genehmigung zur Versteuerung ihrer Umsätze nach vereinnahmten Entgelten erteilt werden kann. Denn rechtsformneutral wird eine Steuerberatungsleistung eines Steuerberaters oder einer Steuerberatungs-GmbH in gleicher Höhe mit Umsatzsteuer belastet.

2. Auch ein Verstoß gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz liegt nicht vor. Insbesondere ist ein eventueller Liquiditätsnachteil durch schleppende Zahlung der Leistungsempfänger angesichts der Geringfügigkeit der Benachteiligung derjenigen Steuerpflichtigen, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten ermitteln, hinzunehmen.

 

Normenkette

UStG 1999 § 20 Abs. 1 Nr. 3; EWGRL 388/77 Art. 10 Abs. 2 UAbs. 3, Art. 1 Abs. 2 S. 1; EStG 2002 § 18 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.07.2010; Aktenzeichen V R 36/08)

BFH (Urteil vom 22.07.2010; Aktenzeichen V R 36/08)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt Steuerberatung.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2004 beantragte die Klägerin, ihr die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ab sofort zu gestatten.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2004 gestattete der Beklagte (das Finanzamt) der Klägerin unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs, ab 1. Januar 2004 die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Die Erlaubnis sollte für die Tätigkeit der Klägerin als Steuerkanzlei gelten.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2004 widerrief das Finanzamt die bereits genehmigte Istversteuerung, da einer Kapitalgesellschaft, zu der sich Freiberufler zusammengeschlossen hätten, die Genehmigung der Istversteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht erteilt werden könne. Auch lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG für das Unternehmen der Klägerin nicht vor.

Den Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2005 als unbegründet zurück.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Widerruf der Genehmigung zu Recht erfolgt sei. Bei der Klägerin handele es sich um eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die Tätigkeit einer GmbH gelte kraft Gesetzes stets als gewerbliche Tätigkeit. Dies bedeute, dass im Streitfall zwingend von gewerblicher und nicht von freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgegangen werden müsse. Der Gesetzgeber lasse für eine gewerblich tätige Steuerberatungsgesellschaft die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG nicht zu. Dies habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 22. Juli 1999 V R 51/98 (BFH/NV 1999, 1712) bestätigt. Zweck der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG sei, den Freiberufler, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung ermittle und damit nur die Ist-Einnahmen aufzeichne, nicht zu zwingen, die Soll-Einnahmen aufzuzeichnen. Aufgrund der derzeitigen Rechtslage sehe das Finanzamt keine Veranlassung, dem Antrag auf Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zuzustimmen. § 20 UStG regele kein materielles Umsatzsteuerrecht. Die Regelung sei letztendlich nur eine verfahrensrechtliche Konsequenz im nationalen Umsatzsteuerrecht, die sich aus der gewählten Rechtsform und der damit zugrunde liegenden handels- bzw. bilanzsteuerrechtlichen Gewinnermittlungsmethode ableite. Indem ein Unternehmer eine Rechtsform wähle, in der er sein Unternehmen führen wolle, müsse er nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen in Kauf nehmen, sondern auch steuerrechtliche Folgen hinnehmen, die sich durch die Rechtsform ergäben. Der Klägerin habe es bereits bei Gründung der GmbH bewusst sein müssen, dass die Versteuerung nach vereinbarten Entgelten zu eventuellen Liquiditätsnachteilen führen könnte. Dennoch sei dieser Nachteil hingenommen und die Entscheidung getroffen worden, das Unternehmen in der Form einer GmbH und nicht in der Form einer Sozietät zu führen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 des Grundgesetz (GG) liege nicht vor, da hier zwei unterschiedliche Sachverhalte geregelt worden seien. Im Streitfall lägen die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO) vor. Der Klägerin, vertreten durch ihre fachlich qualifizierten Geschäftsführer, habe bekannt sein müssen, dass eine Genehmigung zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten aufgrund des Wortlautes des § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs durc...

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