rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei Unterbrechung der Ausbildung infolge Krankheit und Mutterschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen steht fest, dass die Klägerin wegen des bestehenden Mutterschutzes ihre Ausbildung nicht fortsetzen konnte. Ein Eintritt in das laufende Schuljahr war nicht möglich, wie sich aus der Bescheinigung der Berufsfachschule ergibt. Vielmehr musste der Beginn des neuen Schuljahres abgewartet werden.

2. Die Klägerin war aus objektiven Gründen daran gehindert, ihre Ausbildung fortzusetzen, obwohl sie ausbildungswillig war. Sie ist daher ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 11. November 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2015 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter der Klägerin (D), geboren am 2. November 1990, ab November 2009 zu Recht aufgehoben und den für den Zeitraum Januar 2010 bis September 2010 ausgezahlten Betrag von 1.656 EUR zurückgefordert hat.

Die Klägerin bezog für ihre Tochter laufend Kindergeld. D besuchte vom 16. September 2008 bis 17. September 2009 eine Berufsschule und Berufsfachschule für Kinderpflege in Starnberg. Am 8. August 2009 wurde sie Mutter eines Sohnes. Die Mutterschutzfrist begann am 27. Juni 2009 und endete am 3. Oktober 2009. D bezog ab Februar 2009 eine Waisenrente sowie nach der Geburt ihres Sohnes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Auf Anfrage der Familienkasse teilte die Klägerin mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 mit, dass sich D im Zeitraum August 2009 bis August 2010 in Elternzeit befinde und ihre Ausbildung voraussichtlich im September 2011 wieder aufnehmen werde. Laut Bestätigung des staatlichen beruflichen Zentrums XXX habe D die 10. Jahrgangstufe im Jahr 2009 erfolgreich abgeschlossen und könne in die 11. Klasse übertreten.

Mit Bescheid vom 11. November 2014 hob die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld ab November 2009 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 2010 bis September 2010 gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.656 EUR zurück. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass D ihre Ausbildung wegen der Geburt ihres Kindes und der infolge des gewaltsamen Todes ihres Vaters erlittenen seelischen Belastungen unterbrochen habe. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der dagegen erhobenen Klage wiederholt die Klägerin das Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung. Ihre Tochter sei aus rein objektiven Gründen an der Fortsetzung ihrer begonnenen Ausbildung gehindert gewesen. Die Ausbildung sei nicht aus eigenem Entschluss unterbrochen worden. Aufgrund der Geburt ihres Sohnes habe die Tochter der Klägerin aufgrund des bis einschließlich 3. Oktober 2009 geltenden Beschäftigungsverbotes i.S.d. § 3 Abs. 22 Mutterschutzgesetz (MuSchG) die begonnene Ausbildung im September 2009 nicht fortsetzen können, eine unterjährige Fortsetzung der Ausbildung sei nicht vorgesehen, wie sich auch aus der Bestätigung der Berufsfachschule vom 16. September 2015 ergebe. Nach den allgemeinen Bestimmungen der ausbildenden Einrichtung habe sie deswegen von der Ausbildung abgemeldet werden müssen, dies habe jedoch nicht die endgültige Aufgabe der Ausbildung bedeutet. Ein Bemühen um einen Ausbildungsplatz ab November 2009 sei nicht erforderlich gewesen, da bereits ein Ausbildungsplatz vorhanden war, der zum September 2010 wieder angetreten werden konnte. Auch für das Schuljahr 2011/2012 habe die Möglichkeit der Fortsetzung ihrer Schulausbildung an der Berufsfachschule bestanden (Schreiben der Berufsschule vom 30. März 2011).

Ihre Tochter sei außerdem im streitigen Zeitraum wegen einer erheblichen seelischen Behinderung nicht in der Lage gewesen, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten und die Ausbildung fortzusetzen. Als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren habe, sei sie erst 18 Jahre alt gewesen und von der neuen Situation völlig überfordert gewesen. Zudem sei es zu heftigen Streitereien mit dem Kindsvater gekommen. Erschwerend sei hinzugekommen, dass der Vater von D im Januar 2009 ermordet worden sei. Der zusätzlich zu verarbeitende Verlust des Vaters in der psychisch hoch vulnerablen Phase der Schwangerschaft habe ihre Tochter nicht nur aufgrund der möglichen Stigmatisierung im sozialen Umfeld, sondern auch durch da...

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