Entscheidungsstichwort (Thema)

„Kleine” Freiberufler-Kapitalgesellschaft. Gewerbesteuerpflicht. Gewerbesteuerpflicht „Kleiner Freiberufler-Kapitalgesellschaft”. Gewerbesteuermessbetrag 1996, 1997 und 1998

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es erscheint weder willkürlich noch unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber eine Gesellschaft mit beschrankter Haftung ohne Rücksicht auf die von ihr ausgeübte Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG behandelt und hierbei keinen der freiberuflichen Berufsleistung entsprechenden Kürzungsbetrag – entsprechend der Behandlung von Grundstücksgesellschaften nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG – gewerbesteuermindernd berücksichtigt. Angesichts der wirtschaftlichen Vorteile, die der selbständig tätige Berufsträger durch die Wahl der Rechtsform der GmbH – auch im Wettbewerb mit freiberuflichen Berufsträgern – genießt, erscheint diese Differenzierung sachgerecht.

2. In der gewerbesteuerlichen Behandlung kleiner Freiberufler-Kapitalgesellschaften ist keine europarechtswidrige Diskriminierung zu erkennen.

 

Normenkette

GewStG 1991 § 2 Abs. 2 S. 1, § 9 Nr. 1 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.03.2010; Aktenzeichen 1 BvR 2130/09)

BFH (Beschluss vom 27.04.2009; Aktenzeichen I R 76/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 13. August 1971, zuletzt geändert mit Beschluss vom 03. April 1990, gegründet. Alleiniger Geschäftsführer der Klägerin ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater E.. Unternehmensgegenstand der Klägerin sind nach einem im Klageverfahren vorgelegten Handelsregisterauszug die gem. § 2 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten; Handels- und Bankgeschäfte sind ausgeschlossen.

Unter dem 18. Januar 1999 erließ der Beklagte (das Finanzamt –FA–) den im Hinblick auf ein vor dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) anhängiges Revisionsverfahren in vollem Umfang gem. § 165 der Abgabenordnung (AO) vorläufigen Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 1997; darin folgte das FA den Angaben der Klägerin in ihrer Gewerbesteuererklärung vom 10. Dezember 1998. Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch rügte die Klägerin die ihrer Ansicht nach unzutreffende (Nicht-)Berücksichtigung von freiberuflichen Leistungen bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages. Vom Betriebserfolg sog. „kleiner Freiberufler-Kapitalgesellschaften” müsse ein Betrag abgezogen werden, der typisierend für den Lohn der freiberuflichen Arbeit stehe. Auch dem gewerblichen Kleinunternehmer gestehe das Gewerbesteuergesetz einen pauschalierten Unternehmerlohn in Form eines Freibetrages zu. Das GewStG berücksichtige nicht ausreichend, dass die personalistisch strukturierte Klägerin Trägerin eines Unternehmens sei, das freiberufliche Leistungen hervorbringe; denn die Leistungen von Angehörigen eines freien Berufes – im Streitfall die eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters – seien kein Gewerbe. Ihre Berücksichtigung bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber Grundstücksunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft dar, die grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Art ihrer Tätigkeit gewerbesteuerpflichtig seien, gleichwohl aber von der Kürzungsvorschrift in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG profitierten, soweit ihr Gewerbeertrag auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes entfalle. Der angefochtene Bescheid sei daher wegen der Notwendigkeit eines erweiterten Kürzungstatbestandes für „kleine Freiberufler-Kapitalgesellschaften” aufzuheben, hilfsweise seien die Besteuerungsgrundlagen auf einen Gewerbeertrag herabzusetzen, der nur auf den Faktor Eigenkapital zurückzuführen sei.

Unter dem 08. September 1999 erließ das FA einen gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 AO in vollem Umfang vorläufigen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 1998, mit dem das FA den Angaben der Klägerin in ihrer Gewerbesteuererklärung vom 17. August 1999 folgte. Die Klägerin legte auch gegen den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 1998 mit Schreiben vom 10. September 1999 Einspruch ein und wiederholte insoweit die bereits gegen den Vorjahresbescheid erhobenen rechtlichen Bedenken.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2000 stellte die Klägerin ferner einen Antrag auf Aufhebung des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO stehenden Gewerbesteuermessbescheides für 1996 vom 02. Januar 1998. Die Heranziehung einer „kleinen Freiberufler-Kapitalgesellschaft” zur Gewerbesteuer verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 1996 sei daher rechtswidrig und gem. § 164 Abs. 2 AO aufzuheben. Mit Schreiben vom...

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