Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine erhebliche Härte im Sinne von § 222 AO ist nur dann gegeben, wenn der Gegenanspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und in absehbarer Zeit fällig werden wird; d. h. zur Zeit der Steuereinziehung muss der Gegenanspruch bereits nach Grund und Höhe rechtlich wie tatsächlich schlüssig belegt sein und in naher Zeit fällig werden.

 

Normenkette

AO § 222

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine Stundung gem. § 222 Abgabenordnung (AO) vorliegen.

Der Beklagte änderte gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für das Kalenderjahr 2000 durch den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19.02.2010. Hierdurch ergab sich für die Klägerin eine zusätzliche Zahllast in Höhe von ... €, weil die bisher berücksichtigten negativen Beteiligungseinkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ... € nunmehr mit ... € berücksichtigt wurden. In Höhe von ... € gewährte der Beklagte auf Grund einer Mitteilung vom ... 2010 durch den Bescheid vom 16.02.2010 gem. § 361 AO Aussetzung der Vollziehung. Es verblieb ein noch offener Restbetrag in Höhe von ... €.

Mit Schreiben vom ... 2010 beantragte die Klägerin die Stundung in Höhe des noch offenen nicht ausgesetzten Betrages. Zur Begründung gab sie an, dass sich die bei ihr entstandene Zahllast aus einer bei der "A KG (im Folgenden KG)" durchgeführten Betriebsprüfung ergeben habe. Die Betriebsprüfung habe Betriebsausgaben der KG nicht als sofort abzugsfähig anerkannt, so dass die Betriebsausgaben zu aktivieren und anschließend abzuschreiben seien. Damit ergäben sich in den Jahren 2002 bis 2008 höhere Verluste der KG und damit auch höhere negative Beteiligungseinkünfte der Klägerin. Diese führten zu Steueransprüchen der Klägerin, welche mit der Zahllast aus dem Einkommensteuerbescheid 2000 zu verrechnen seien.

Im Folgenden wurden Beträge in Höhe von ... € tatsächlich verrechnet. Die Klägerin reduzierte ihren Stundungsantrag durch Schreiben vom ... 2010 auf die verbleibende Differenz in Höhe von ... €.

Durch den Bescheid vom 26.03.2010 lehnte der Beklagte den Stundungsantrag mit der Begründung ab, dass nicht absehbar sei, wann geänderte Mitteilungen bezüglich der Einkünfte aus der KG ergehen würden, aus denen sich die behaupteten Erstattungen ergeben könnten.

Hiergegen legte die Klägerin am 08.04.2010 Einspruch ein. Ergänzend trug sie vor, dass der Beklagte wegen des Untersuchungsgrundsatzes verpflichtet sei, entsprechende Erkundigungen beim Betriebsstättenfinanzamt einzuholen.

Der Beklagte erkundigte sich am ... 2010 und am ... 2011 telefonisch beim Betriebsstättenfinanzamt. Die Nachfrage ergab, dass das für die KG zuständige Finanzamt mittlerweile die Gewinnerzielungsabsicht der KG insgesamt bestritt und dass diesbezüglich ein Verfahren beim Finanzgericht München anhängig gemacht werden sollte und mit einer baldigen Entscheidung nicht gerechnet werden konnte, da insbesondere noch keine Feststellungserklärungen der KG eingereicht worden waren. Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Voraussetzungen für eine Stundung nicht vorlägen, insbesondere könne keine unbillige Härte angenommen werden, da der zu erstattende Betrag nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald fällig werde.

Die Klägerin hielt ihren Einspruch aufrecht und erweiterte ihre Begründung damit, dass es nicht zu ihren Lasten gehen könne, wenn das Betriebsstättenfinanzamt zu Unrecht keine Aussetzung der Vollziehung gewähre und sich bei der Umsetzung der Betriebsprüfungsfeststellungen widersprüchlich verhalte.

Durch Einspruchsentscheidung vom 11.04.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet ab. Es sei ungewiss, ob es überhaupt zu negativen Beteiligungserträgen der Klägerin für die Jahre 2007 und 2008 komme. Entscheidend sei, dass eine Entscheidung aus der sich die von der Klägerin behaupteten Erstattungsansprüche ergeben könnten, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit ergehe. Sofern sich die Klägerin in ihrer Einspruchsbegründung darauf stütze, dass zu Unrecht keine Aussetzung der Vollziehung bei dem Grundlagenbescheid gewährt werde, müsse sie sich hiergegen mit den entsprechenden Rechtsmitteln richten. Diese Frage müsse im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid geklärt werden und könne nicht über einen Stundungsantrag auf das Verfahren des Folgebescheids übertragen werden.

Hiergegen richtet sich die Klage vom 16.05.2011. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, sie habe einen Anspruch auf Stundung gem. § 222 AO, denn eine erhebliche Härte im Sinne der Vorschrift liege vor. Es handele sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Einzelfall durch eine Abwägung der Interessen von Steuerschuldner und Steuergläubiger auszulegen sei. Ihr, der Klägerin, entstünden in absehbarer Zeit Erstattungsansprüche, denn das Betriebsstättenfinanzamt gehe nun nicht mehr davon aus, dass gar keine Gewinnerzielungsabs...

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