rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Einschränkung der Antragsbefugnis des § 34 Abs. 1 EStG 1988 durch § 351 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Die Antragsbefugnis nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 eröffnet ein unbefristetes Wahlrecht, das bis zur Bestandskraft auch noch nach Ergehen von Änderungsbescheiden ausgeübt werden kann.

 

Normenkette

EStG 1988 § 34 Abs. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 351

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Antrag der Klägerin auf ermäßigte Besteuerung eines Ver-äußerungsgewinns nach § 34 EStG 1988 aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Die Klägerin erzielte in 1988 aus ihrer Beteiligung an der H-KG einen Veräuße-rungsgewinn in Höhe von 2.458.227,54 DM (Bl. 13 Beteiligungsakten).

Aufgrund einer fehlerhaften Mitteilung der steuerlichen Berater der H-KG vom 13.11.1989 (Bl. 95 ESt-A Bd. I) erklärte die Klägerin den Veräußerungsgewinn als laufenden Beteiligungsgewinn, der mit Vorbehaltsbescheid vom 12.09.1990 wie erklärt veranlagt wurde (Bl. 94, Bl. 119 ESt-A Bd. I).

Das Betriebsstättenfinanzamt der H-KG teilte die Beteiligungseinkünfte der Klägerin für das Streitjahr dem früheren Wohnsitzfinanzamt mit Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (ESt 4 B-Mitteilung) vom 06.02.1992 und - nach Wechsel der örtlichen Zuständigkeit - dem Rechtsvorgänger des Beklagten mit geänderten ESt 4 B-Mitteilungen vom 28.01.1994, 09.04.1997 und 14.05.2001 mit (Bl. 9 ff Beteiligungsakte).

Hiernach ergingen für das Streitjahr unter dem 17.03.1994, 13.05.1997 und 28.06.2001 auf § 164 Abs. 2 und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützte, mit-teilungsgemäße Einkommensteuer-Änderungsbescheide (Bl. 21, 26 und 31 Band II ESt-A). Einen Hinweis auf den in den ESt 4 B-Mitteilungen ausgewiesenen, begünstigten Veräußerungsgewinn und auf das Antragserfordernis des § 34 EStG 1988 erhielt die Klägerin vonseiten der Finanzämter nicht.

Die Bescheide vom 17.03.1994 und 13.05.1997 wurden bestandskräftig.

Gegen den Bescheid vom 28.06.2001 erhob die Klägerin mit Schreiben ihres Steuerberaters unter dem 11.07.2001 Einspruch und beantragte, den gemäß ESt 4 B-Mitteilung vom 14.05.2001 zuletzt gesondert festgestellten Veräußerungsgewinn von 2.458.227,54 DM nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 ermäßigt zu besteuern (Bl. 1 b Rb-A). Von dem in Frage stehenden Veräußerungsgewinn habe die Klägerin erstmals anlässlich der Mitteilung vom 14.05.2001 und nach Abschluss der bei der H-KG durchgeführten Betriebsprüfung Kenntnis erlangt (Bl. 8 Rb-A). Aus Unkenntnis habe sie den Antrag nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 nicht früher stellen können (Bl. 8 Rb-A). Die Steuererklärung für 1988 sei nach entsprechenden Angaben des steuerlichen Beraters der H-KG vom 13.11.1989 erstellt worden. In diesen Angaben sei ein Veräußerungsgewinn nicht enthalten gewesen. Ein angebliches Schreiben des steuerlichen Beraters der H-KG vom 15. Dezember 1989, mit dem auch auf einen Veräußerungsgewinn hingewiesen worden sei, habe die Klägerin nicht erhalten. Ungeachtet ihrer eigenen Unkenntnis hätte zudem der Beklagte, der von dem begünstigten Veräußerungsgewinn durch die ESt 4 B-Mitteilungen ab 1992 Kenntnis erlangt hatte, sie, die Klägerin, gemäß § 89 AO auf die erforderliche Antragsstellung nach § 34 Abs. 1 EStG hinweisen müssen. Aus der Hinweispflichtverletzung folge ein Folgenbeseitigungsanspruch, der, unabhängig von den sonstigen Verfahrensvorschriften der AO, zu der beantragten, ermäßigten Besteuerung des Veräußerungsgewinns führe (Bl. 43 f. Rb-A).

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 07.08.2003 zurück (Bl. 69 Rb-A). Der Veräußerungsgewinn könne nicht mehr ermäßigt besteuert werden, weil der nach § 34 EStG 1988 erforderliche Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden sei; und zwar weder bis zur Bestandskraft noch bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31.12.1994. Nach § 110 Abs. 3 AO könne auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids für die H-KG vom 14.05.2001 führe nicht zur Durchbrechung der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids hinsichtlich des Veräußerungsgewinns. Die Korrektur des Folgebescheids gehe nur so weit, wie die Bindungswirkung reiche. Ein Veräußerungsgewinn sei schon durch die vorausgegangenen Gewinnfeststellungsbescheide festgestellt, ein Antrag auf ermäßigte Besteuerung jedoch nicht gestellt worden. Die Antragstellung könne deshalb im Rahmen einer Änderung des Einkommensteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht mehr nachgeholt werden. Eine Änderung komme auch nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Die Antragstellung sei keine neue Tatsache im Sinne der Norm, sondern eine Verfahrenshandlung. Der Antrag könne auch nicht im Wege der Folgenbeseitigung wegen Verletzung einer Hinweispflicht fingiert werden. Eine Pflichtverletzung des Finanzamts läge nicht vor. Doch selbst wenn man diese bejahen wollte, so sei der Klägerin bzw. dem steuerlichen Berater der Klägerin ebenfalls ein Verschul...

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