Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch bei erwerbsmäßiger Betreuung von Pflegekindern

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Steuerpflichtiger unterhält bei ihm nach § 33 SGB VIII zur Vollzeitpflege untergebrachte Kinder auch dann nicht unwesentlich auf eigene Kosten, wenn er für diese neben Pflegegeld nach § 39 SGB VIII Erziehungsbeiträge von jeweils rund 1.200,-- DM monatlich erhält.
  2. Derartige Bezüge stellen auch kein den Kindergeldanspruch ausschließendes Leistungentgelt für eine als erwerbsmäßig zu qualifizierende Betreuungstätigkeit des Steuerpflichtigen dar.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1; SGB VIII §§ 33, 39; EStR 1996 R 177 Abs. 1; EStR 1996R 177 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 29.01.2003; Aktenzeichen VIII R 71/00)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Kindergeld für die Kinder A, geboren 02.02.1992, und B, geboren 13.10.1996.

Die Kinder sind vom Jugendamt im Wege der Familienpflege im Haushalt des Klägers untergebracht worden. Der Kläger hat außerdem zwei leibliche Kinder. Für das Kind A hatte der Beklagte zunächst Kindergeld antragsgemäß gewährt, mit Bescheid vom 08.06.1998 hob er jedoch die Kindergeldfestsetzung ab Mai 1998 nach § 70 Abs. 3 EStG auf. Den Antrag des Klägers auf Kindergeld für B lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 04.05.1998 ab. Im Einspruchsverfahren gegen die Bescheide teilte das Jugendamt der Stadt C dem Beklagten mit, der Kläger betreue die Kinder im Rahmen einer Hilfe nach § 33 Satz 2 SGB VIII. Er erhalte für die Kinder Pflegegeld, dessen Festsetzung auf § 39 SGB VIII i.V.m. einem Erlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales beruhe. Außerdem erhalte er einen Erziehungsbeitrag, der ab 01.01.1997 monatlich 1.099,71 DM betrage.

Der Beklagte wies den Einspruch zurück und führte aus, ein Pflegekindschaftsverhältnis liege nicht vor. Die pro Kind gezahlten Beträge deckten sämtliche Unterhaltskosten ab.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Die Familienpflege nach § 33 Satz 2 SGB VIII setze voraus, daß mindestens ein Familienmitglied über eine pädagogische Ausbildung verfüge und die Familie in ein Beratungssystem eingebunden sei. Der Erziehungsbeitrag sei lediglich ein Anerkennungshonorar. Die Unterhaltskosten der Kinder überstiegen die für ein durchschnittliches Kind. Bei A seien Fahrten zur Kinder- und Jugendpsychiatrie erforderlich. B sei bei einem Kinderpsychologen in Behandlung sowie bei einer Sprachtherapie. Das Pflegegeld sei altersgestaffelt und betrage für B 741,00 DM, für A 806,00 DM. Der Erziehungsbeitrag liege inzwischen bei 1.263,00 DM pro Kind.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, Kindergeld für B ab März 1998 und unter Aufhebung des Bescheides vom 8.6.1998 für A ab Mai 1998 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor:

Der Kläger leiste keinen wesentlichen Unterhaltsbeitrag. Hieran fehle es nämlich, wenn Pflegeeltern ein erheblich über den Unterhaltskosten des Kindes liegendes Entgelt erhielten und für die Unterbringung und Betreuung nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen entlohnt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für die Kinder A und B Kindergeld nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1. Nr. 2 EStG zu. Bei den Kindern handelt es sich um Pflegekinder i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Nach der gesetzlichen Definition sind Pflegekinder Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat, das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht und der Steuerpflichtige sie zu einem nicht unwesentlichen Teil auf seine Kosten unterhält. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Unstreitig besteht das Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen den Kindern und deren leiblichen Eltern nicht mehr: Die Kinder befinden sich in Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII in einer anonymen Erziehungsstelle; ein Kontakt mit den leiblichen Eltern ist insoweit nicht möglich. Die Kinder sind mit dem Kläger durch ein familienähnliches und auf längere Dauer berechnetes Band verbunden. Ein solches besteht, wenn der Steuerpflichtige das Kind wie ein eigenes betreut, sämtliche wesentlichen Entscheidungen für das Kind trifft und für das Kind zum maßgebenden Ansprechpartner geworden ist (BFH vom 07.09.1995 III R 95/93 BStBl II 1996 S. 63). Aufgrund des Alters der Kinder sind diese besonderem Maße auf die Betreuung in der Familie des Klägers angewiesen, welche sich nicht auf eine lediglich materielle Unterhaltsgewährung beschränkt. Vielmehr werden die Kinder wie leibliche Kinder vom Kläger versorgt.

Eine erwerbsmäßige Betreuung durch den Kläger liegt hier nicht vor. Bei der Familie des Klägers handelt es sich um eine Erziehungsstelle, die eine Vollzeitpflege i.S. von § 33 SGB VIII ausübt, nicht um ein Heim und damit eine Einrichtung i.S. von § 34 SGB VIII. Die Tätigkeit des Klägers wird nicht nach Pflegesätzen abgerechnet, welche ein Leistungs...

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