Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Festsetzungsverjährung bei bestehender Anzeigepflicht gem. § 19 GrEStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Eine die Festsetzungsfrist in Gang setzende Kenntnis des steuerpflichtigen Vorganges erfordert positives Wissen der Grunderwerbsteuerstelle aller für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umstände. Beim Finanzamt vorhandene Informationen, die lediglich potentiell die Möglichkeit für ein Grunderwerbsteuerfestsetzungsverfahren eröffnen, sind kein positives Wissen in diesem Sinne (Anschluss an Urteil des BFH v. 21.06.1995 II R 11/92, BStBl. II 1995, 802).
  2. Eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. von § 19 GrEStG liegt nicht vor, wenn nicht erkennbar ist, dass ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang angezeigt werden soll.
 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3, § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 20; AO § 169 Abs. 2, § 170 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1996

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen II R 55/06)

BFH (Urteil vom 11.06.2008; Aktenzeichen II R 55/06)

 

Tatbestand

Mit Vertrag vom 6.11.1996 übertrug die Firma M in Italien ihren 100 % Anteil an der Firma E GmbH (im Folgenden GmbH) mit Sitz in Deutschland auf die Firma V in Portugal. In § 6 des drei Seiten langen Vertrages heißt es, „die Gesellschaft hat Grundbesitz”. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariell beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrag des Notars Bezug genommen.

Am 8.11.1996 schickte der Notar dem beklagten Finanzamt, bei dem die GmbH steuerlich geführt wurde, ein Schreiben, mit dem er die beglaubigte Ablichtung des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 6.11.1996 „zur gefl. Kenntnisnahme und Bedienung” übersandte. Das Schreiben war an das Finanzamt, Körperschaftsteuerstelle adressiert. Als Betreff war „ Firma E GmbH” angegeben. Wegen des genauen Inhaltes des Schreibens wird auf die in den Grunderwerbsteuerakten abgeheftete Fotokopie Bezug genommen.

Mit Vertrag vom 29.11.1996 übertrug V ihren 100 % Anteil an der GmbH auf die Firma A in Italien (im folgenden A). In § 6 des drei Seiten langen Vertrages heißt es, „die Gesellschaft hat Grundbesitz”. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariell beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrag des Notars Bezug genommen.

Am 4.12.1996 schickte der Notar dem beklagten Finanzamt ein Schreiben, mit dem er die beglaubigte Ablichtung des Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages vom 29.11.1996 „zur gefl. Kenntnisnahme und Bedienung” übersandte. Das Schreiben war ebenfalls an das Finanzamt, Körperschaftsteuerstelle adressiert. Als Betreff war „ Firma E GmbH” angegeben. Wegen des genauen Inhaltes des Schreibens wird auf die in den Grunderwerbsteuerakten abgeheftete Fotokopie Bezug genommen.

Anlässlich einer bei der GmbH durchgeführten Außenprüfung des Finanzamtes wies der Prüfer den Beklagten, in dessen grunderwerbsteuerlichen Zuständigkeitsbereich auch der Grundbesitz der GmbH belegen war, mit Schreiben vom 29.11.2002 darauf hin, dass seiner Auffassung nach durch die Übertragungen der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrunderwerbsteuergesetzGrEStG – verwirklicht worden sei.

Mit Bescheid vom 26.9.2003 setzte der Beklagte gegen A wegen des Anteilserwerbs vom 29.11.1996 Grunderwerbsteuer fest. Als Bemessungsgrundlage legte er den gem. § 121 a BewertungsgesetzBewG – erhöhten Einheitswert des Grundstückes (§§ 17 bis 121 BewG) zugrunde (DM x 140% = DM) und ermittelte eine Steuer von Euro (DM x 2 % = DM = ().

Mit Schreiben vom 27.10.2003 legte die N GmbH gegen den Bescheid Einspruch mit der Begründung ein, dass A nach Auskunft der GmbH nicht mehr existiere. Auf eine Nachfrage des Beklagten mit der Bitte um Angabe des Rechtnachfolgers teilte die N GmbH mit, ihr lägen keine Angaben zum Rechtsnachfolger vor und es sei ihr kein Auftrag zur Ermittlung dieser Angaben erteilt worden.

Eine Anfrage des Beklagten beim Bundesamt für Finanzen ergab, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin von A geworden war. Der Beklagte teilte der N GmbH mit Schreiben vom 16.12.2003 mit, dass der Bescheid an A mangels Zustellung nicht wirksam geworden sei und sich der Einspruch dadurch erledigt habe.

Am gleichen Tag erließ er gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der A einen – inhaltlich der Steuerfestsetzung vom 26.9.2003 entsprechenden – Grunderwerbsteuerbescheid.

Im erfolglosen Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid trug die N GmbH vor, der Steuerbescheid sei wegen am 16.12.2003 bereits eingetretener Festsetzungsverjährung rechtswidrig. Der Notar habe mit seinem Schreiben vom 4.12.1996 dem Beklagten die Übertragung vom 29.11.1996 angezeigt. Die Festsetzungsfrist habe deshalb mit Ablauf des 31.12.1996 begonnen und mit Ablauf des 31.12.2000 geendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes –BFH – setze die Anzeige eines Verpflichteten für alle Verpflichteten den Lauf der Festsetzungsverjährung in Gang.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 5.5.2004 zurück und führte zur Begründung aus, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist zugunsten der Steuerpflichtigen selbst dann nicht in Gang g...

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