Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbssteuer und deren einheitliche Festsetzung bei Zwangsversteigerung mehrerer Gründstücke

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Erwerb eines Grundstücks im Zwangsversteigerungsverfahren stellt das Erlöschen der Forderung gegen den Vollstreckungsschuldner aufgrund der Befriedigungsfiktion des § 114 a ZVG eine zusätzliche Gegenleistung dar, die in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.
  2. Die Tilgungswirkung des § 114 a ZVG ist auch bei wirtschaftlich wertlosen Forderungen des meistbietenden Gläubigers als zusätzliche Gegenleistung zu berücksichtigen.
  3. Maßgebend für die Höhe der zusätzlichen Leistung ist der nach § 74 a Abs. 5 ZVG festgesetzte Verkehrswert des zugeschlagenen Grundstücks.
  4. Eine einheitliche Grunderwerbsteuerfestsetzung bei Erwerb mehrerer Grundstücke beeinträchtigt dann nicht die Bestimmtheit des Steuerbescheides, wenn gleichwohl eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden und auch ansonsten keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht.
 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 4, §§ 2, 8 Abs. 1, § 9; ZVG § 74a Abs. 5, § 114a; AO §§ 127, 157 Abs. 1 S. 2

 

Streitjahr(e)

2004

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.12.2007; Aktenzeichen II R 28/07)

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 16. Juni 2000 (URNr. 1/2000 des Notars C, Z-Stadt; vgl. Blatt 19 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) erwarb die Klägerin von der Bank D in Liquidation / in Konkurs eine in dem Vertrag näher bezeichnete Gesamt-Grundschuld in Höhe von 7.850.000 DM und die zugrundeliegenden schuldrechtlichen Forderungen einschließlich aufgelaufener Zinsen und sonstigen Nebenleistungen zu einem Kaufpreis von 3.000.000 DM. Die Gesamt-Grundschuld war in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern des Amtsgerichts Y-Stadt Blätter 1-72 in der Abt. III unter lfd Nr. 6 seit dem 22. April 1994 zugunsten der Bank D eingetragen. Als Eigentümer der vorstehend bezeichneten 72 Wohnungs- und Teileigentumseinheiten war jeweils der am 13. März 1999 verstorbene Herr E, der zuletzt den Nachnamen „F” führte, eingetragen. Auf den weiteren Inhalt des Vertrages wird verwiesen.

Seit 1999 war für die 72 Einheiten die Zwangsverwaltung angeordnet. Die Y-Stadt beantragte am 18. Mai 2000 die Anordnung der Zwangsversteigerung beim Amtsgericht Y-Stadt.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2003 (vgl. Blatt 212 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) beantragte die Klägerin beim Amtsgericht Y-Stadt den Beitritt zu der angeordneten Zwangsversteigerung zuzulassen. Gleichzeitig beantragte die Klägerin, sämtliche Versteigerungsverfahren gemäß § 18 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung – ZVG – zu verbinden, da nur bei Verbindung der Versteigerung aller Einzelwohnungen sichergestellt sei, dass ein finanzkräftiger Investor die Objekte erwerbe und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen ergreife. Darüber hinaus führte die Klägerin in dem Schreiben vom 17. Juli 2003, auf dessen Inhalt verwiesen wird, aus, welche persönlichen Forderungen – neben der dinglichen Forderung aus der Gesamtgrundschuld – gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt vom 11. November 2003 wurden die 72 Zwangsversteigerungsverfahren unter den führenden Az. 5 K 71/00 verbunden (vgl. Blatt 304 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00). Der Verkehrswert des Grundbesitzes wurde gemäß § 74 a Abs. 5 ZVG auf insgesamt 2.137.200,07 Euro festgesetzt (vgl. Blatt 533 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00).

Im Versteigerungstermin am 24. Mai 2004 war die Klägerin mit dem baren Gebot von 200.001 Euro für den oben genannten Grundbesitz Meistbietende geblieben. Mit Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt wurden der Klägerin die 72 Einheiten zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen zugeschlagen (vgl. Blatt 871 ff der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00). Ausweislich des Schreibens vom 17. August 2004 (vgl. Blatt 1055 der Zwangsversteigerungsakte des Amtsgerichts Y-Stadt Az. 5 K 71/00) meldete die Klägerin gegen Herrn E / F (Schuldner) Ansprüche zur Berücksichtigung im Verteilungstermin von über 8 Mio. Euro an.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 setzte der Beklagte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 52.261 Euro fest.

Besteuerungsgrundlage war das Meistgebot in Höhe von 200.001 Euro zuzüglich eines Betrages in Höhe von 1.296.039 Euro (Forderungsverlust). In der Anlage zum Bescheid heißt es:

„Laut BFH-Urteil vom 16. Oktober 1985 II R 99/95 gehört der Forderungsverlust mit zur Gegenleistung. Er wurde wie folgt ermittelt:

Verkehrswert 2.137.200 Euro x 7/10 = 1.496.040 Euro

abzüglich Meistgebot: 200.001 Euro

Forderungsverlust: 1.296.039 Euro”

Hiergegen legte die Klägerin am 13. August 2004 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Der Bescheid sei formal und materiell fehlerhaft. Es seien 72 Einzelsteuerb...

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