vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit der Umsatzsteuer auf sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz (Geldautomaten) mit Gemeinschaftsrecht zweifelhaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Geldspielautomatenumsätze sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. von der Umsatzsteuer befreit, weil sie nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen.
  2. Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob diese Steuerbefreiung nicht unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL folgt.
  3. Es ist rechtlich ungeklärt, ob die in dieser Vorschrift den Mitgliedsstaaten eingeräumte Befugnis zur Festlegung von Bedingungen und Beschränkungen es erlaubt, sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz, zu denen auch Geldspielautomaten gehören, insgesamt von der Steuerbefreiung auszunehmen und damit die Steuerbefreiung zur Ausnahme statt zur Regel zu machen.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f

 

Streitjahr(e)

2006

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

Die Antragstellerin betreibt eine Spielhalle. Mit ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 vom 10.08.2006 unterwarf sie die Umsätze aus Geldspielgeräten ab dem 07.05.2006 (Inkrafttreten der Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UmsatzsteuergesetzUStG - am 06.05.2006) der Steuerpflicht (Zahllast 20.252,81 €).

Gleichzeitig erhob sie gegen diese Voranmeldung Einspruch und beantragte unter Berücksichtigung der beigefügten berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 (Zahllast 27,03 €) die Umsätze aus Geldspielgeräten in Höhe von netto 343.375,00 € ohne Vorsteuerabzug steuerfrei zu stellen. In Höhe des Differenzbetrages von (20.252,81 €./. 27,03 € =) 20.225,78 € begehrte sie Aussetzung der Vollziehung.

Den Aussetzungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Verfügung vom 24.08.2006 ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin ebenfalls Einspruch.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 19.10.2006 wies der Antragsgegner beide Einsprüche als unbegründet zurück.

Gegen die Einspruchsentscheidung betreffend die Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 hat die Antragstellerin Klage (5 K 4520/06 U) erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat.

Gleichzeitig hat sie den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gestellt, mit dem sie vorträgt:

Die Umsätze aus Glücksspielen mit Geldeinsatz seien nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-RL) in vollem Umfang steuerfrei. Die Richtlinienbestimmung gehe nationalen Rechtsvorschriften vor. Wortwahl, Aufbau und Stellung der Richtlinienvorschrift sprächen dafür, dass eine Besteuerung der Glücksspielumsätze untersagt sei. Der Zusatz „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedsstaat festgelegt werden”, beziehe sich nicht auf die Steuerbefreiung, sondern auf gewerberechtliche Voraussetzungen zur Ausübung der Tätigkeit. Das heiße, wenn in einem Mitgliedsstaat das sonstige Glücksspiel mit Geldeinsatz erlaubt sei, seien diese Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien.

Im Gesetzgebungsverfahren habe jedenfalls zunächst auch der Bundesrat gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. gehabt.

Das vom Antragsgegner angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12.05.2005, Rs. C-452/03, (RAL (Channel Islands) u.a.), Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 2005, 443 sei hier nicht einschlägig, da der EuGH zum einen nur über den Ort der Leistung zu befinden gehabt habe und zum anderen Vermietungs- und nicht Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten durch Endverbraucher Gegenstand des Rechtsstreits gewesen seien.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 vom 10.08.2006 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hält daran fest, dass der Gesetzgeber mit der durch § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. erlaubten (generellen) Besteuerung von sonstigen Glücksspielumsätzen (einschließlich solcher aus dem Betrieb von Geldspielgeräten) den ihm durch den o.g. Zusatz in Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe.

Der Bundesrat habe seine ursprüngliche abweichende Rechtsauffassung nicht aufrecht erhalten. Auch der EuGH habe im Urteil vom 12.05.2005, Rs. C-452/03 (RAL), a.a.O., die Steuerpflicht von Spielhallenumsätzen mit Geldspielgeräten nicht in Frage gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist begründet.

Der Senat legt den Antrag unter Berücksichtigung der Begründung zunächst dahin aus, dass die Antragstellerin nur Aussetzung der Vollziehung in Höhe eines Teilbetrages von 20.225,78 € (= Differenz zwischen ursprünglicher und berichtigter Voranmeldung) begehrt.

Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll auf Antrag u.a. ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Ernstliche Zweifel bestehen, wenn b...

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