vorläufig nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarkeit der Umsatzsteuer auf sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz (Geldautomaten) mit Gemeinschaftsrecht zweifelhaft

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Geldspielautomatenumsätze sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n. F. von der Umsatzsteuer befreit, weil sie nicht unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen.
  2. Ernstlich zweifelhaft ist aber, ob diese Steuerbefreiung nicht unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie folgt.
  3. Es ist rechtlich ungeklärt, ob die in dieser Vorschrift den Mitgliedsstaaten eingeräumte Befugnis zur Festlegung von Bedingungen und Beschränkungen es erlaubt, sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz, zu denen auch Geldspielautomaten gehören, insgesamt von der Steuerbefreiung auszunehmen und damit die Steuerbefreiung zur Ausnahme statt zur Regel zu machen.
 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 9 Buchst. b; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.09.2007; Aktenzeichen V B 97/07)

BFH (Beschluss vom 07.09.2007; Aktenzeichen V B 97/07)

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten.

Mit Schreiben vom 10.08.2006 legte die Antragstellerin gegen ihre gleichzeitig eingereichte Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 (darin ausgewiesene Vorauszahlung: 3.157,34 €) Einspruch ein. Sie legte eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 vor, in der die Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielen mit Geldeinsatz (Geldspielgeräte gemäß § 33c Gewerbeordnung (GewO)) in Höhe von netto 43.471,00 € als steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug behandelt wurden (darin ausgewiesene Vorauszahlung 753,03 €). Zur Begründung berief sie sich auf Art. 13 Teil B Buchst. f i.V.m. Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-RL), wonach für Umsätze aus dem sonstigen Glücksspiel mit Geldeinsatz ein allgemeiner Ausschluss von der Umsatzsteuerpflicht habe herbeigeführt werden sollen.

§ 4 Nr. 9 Buchst. b Umsatzsteuergesetz (UStG) in der seit dem 06.05.2006 geltenden Fassung (n.F.) stehe mit der vor- und höherrangigen Richtlinienbestimmung, auf die sich die Antragstellerin deshalb unmittelbar berufen könne, nicht in Einklang.

Über den Einspruch hat der Antragsgegner bislang noch nicht entschieden.

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat er mit Verfügung vom 29.08.2006 unter Hinweis auf § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. abgelehnt.

Mit ihrem vorliegenden Antrag an das Gericht verfolgt die Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren weiter. Sie trägt vor:

Es bestünden nicht nur ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, sondern es bestehe sogar eine erkannte Gewissheit an der Unrechtmäßigkeit. Die Finanzbehörde selbst (hier das Finanzamt „C-Stadt” im Schreiben vom 14.07.2006) räume ausdrücklich ein, dass eine Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL in das deutsche Umsatzsteuergesetz nicht erfolgt sei. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F., durch den sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz der Umsatzsteuer unterworfen würden, stehe Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL entgegen, der eine absolute und ausnahmslose Umsatzsteuerbefreiung der Umsätze aus dem Betrieb von Glücksspielen mit Geldeinsatz vorsehe. Die nationale Vorschrift stelle nicht nur das Richtlinienziel in Frage, sondern schließe die Erreichung dieses Ziels total aus.

Zu berücksichtigen sei auch die Zweckbestimmung des Gemeinschaftsrechts, nämlich die Harmonisierung der umsatzsteuerlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten untereinander. Dazu zähle nicht nur eine einheitliche Umsatzbesteuerung, sondern auch eine einheitliche Umsatzsteuerbefreiung.

Es sei auch auf Art. 33 der 6. EG-RL zu verweisen, der die Einführung von Abgaben oder Steuern auf Spiele und Wetten schon dann verbiete, wenn diese nur den Charakter von Umsatzsteuern hätten. Erst recht müsse sich ein derartiges Verbot auf die Umsatzsteuer selbst beziehen.

Die Antragstellerin könne sich auch unmittelbar auf die Richtlinienvorschrift berufen (Europäischer Gerichtshof – EuGH -, Urteil vom 17.02.2005 Rs. C-453/02 (Linneweber), Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2005, 194).

Im Übrigen habe sich die Antragstellerin der Beschwerde vom 29.01.2003 bei der Europäischen Kommission wegen Nichtumsetzung des entsprechenden Richtlinienteils (AZ: DE/E03/0055) angeschlossen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung eines Teilbetrages von 2.404,31 € aus der Umsatzsteuer-Voranmeldung II/2006 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Der Antragsgegner trägt vor:

§ 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n.F. stelle eine zulässige, von Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL eingeräumte Einschränkung der Steuerfreiheit von Glücksspielumsätzen dar. Die Mitgliedstaaten seien - in den Grenzen des Neutralitätsgrundsatzes, der hier gewahrt sei - befugt, Art und Umfang der Steuerbefreiung für Glücksspiele eigenständig zu ...

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