Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung für Imbissbetriebe; Schätzung der Warenentnahmen nach betriebsindividuellen Gesichtspunkten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der Schätzung der Warenentnahmen eines Imbissbetriebs mit Sitzgelegenheiten kann nicht auf die Pauschbeträge der amtlichen Richtsatzsammlung für Gast- und Speisewirtschaften zurückgegriffen werden.
  2. Hat der Unternehmer 90 % des Wareneinkaufs der nicht ermäßigt zu besteuernden Waren als Entnahme behandelt, ist ein höherer Ansatz im Schätzungswege nur bei Vorliegen besondere Gründe gerechtfertigt.
  3. Der kalkulatorische Wert der eigenen Arbeitskraft für die Zubereitung dieser Waren als verzehrfertige Speisen kann nicht Gegenstand einer Entnahme nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sein.
  4. Ein über 90 % des Wareneinkaufs der nicht ermäßigt zu besteuernden Waren hinausgehender Ansatz der umsatzsteuerlichen Entnahmen zum vollen Steuersatz kann bei summarischer Prüfung für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung nicht auf die mögliche Entnahme in dem Imbiss hergestellter verzehrfertiger Speisen als sonstige Leistungen i. S. von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG gestützt werden, weil es nicht zwingend ist, dass der Unternehmer und seine Familie zubereitete Speisen unter Umständen verzehrt haben, durch die es zu einer sonstigen Leistung statt einer Lieferung kommt.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 4; UStG § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1, Abs. 9a Nr. 1, § 22 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3; AO § 162 Abs. 2 S. 2; FGO § 69

 

Streitjahr(e)

2009

 

Tatbestand

Die Antragsteller begehren die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuer- und des Umsatzsteuerbescheides für 2009, in denen der Antragsgegner abweichend von der Gewinnermittlung und der Umsatzsteuererklärung höhere Entnahmen angesetzt hat.

Der Antragsteller betreibt seit dem 29. Mai 2002 einen Imbissbetrieb mit Sitzgelegenheiten. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Antragsteller haben einen Sohn. Für Warenentnahmen setzte der Antragsteller für die Jahre 2002 bis 2009 in den Gewinnermittlungen und Umsatzsteuererklärungen folgende Beträge an:

ermäßigter Steuersatz

voller Steuersatz

insgesamt

2002

1.680 Euro

2.420 Euro

4.100 Euro

2003

2.520 Euro

3.630 Euro

6.150 Euro

2004

2.670 Euro

3.810 Euro

6.480 Euro

2005

2.670 Euro

3.810 Euro

6.480 Euro

2006

2.670 Euro

3.810 Euro

6.480 Euro

2007

3.810 Euro

3.810 Euro

2008

3.810 Euro

3.810 Euro

2009

3.210 Euro

600 Euro

3.810 Euro

Nach den Richtsatzsammlungen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) waren bei Gast- und Speisewirtschaften mit Abgabe von kalten und warmen Speisen für die Jahre 2002 bis 2009 für unentgeltliche Wertabgaben als Jahreswert für eine Person ohne Umsatzsteuer folgende Pauschbeträge anzusetzen:

ermäßigter Steuersatz

voller Steuersatz

insgesamt

2002

1.008 Euro

1.452 Euro

2.460 Euro

2003

1.008 Euro

1.452 Euro

2.460 Euro

2004

1.068 Euro

1.524 Euro

2.592 Euro

2005

1.068 Euro

1.524 Euro

2.592 Euro

2006

1.068 Euro

1.524 Euro

2.592 Euro

2007

1.022 Euro

1.822 Euro

2.844 Euro

2008

1.040 Euro

1.855 Euro

2.895 Euro

2009

1.117 Euro

1.991 Euro

3.108 Euro

Der Antragsteller erklärte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) entsprechend seiner Gewinnermittlung gewerbliche Einkünfte in Höhe von 15.479 Euro und ermittelte in der Umsatzsteuererklärung die Umsatzsteuer mit einem Betrag von 72,31 Euro.

Der Antragsgegner, der die Abweichungen von den Pauschbeträgen der Richtsatzsammlung in den Jahren 2007 und 2008 nicht beanstandet hatte, erhöhte im Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 2. August 2010 die gewerblichen Einkünfte um 5.534 Euro und setzte die Umsatzsteuer für 2009 im Bescheid vom selben Tag auf 903,94 Euro fest. Er begründete dies damit, dass er als Eigenverbrauch die Erfahrungswerte der Richtsatzsammlung für unentgeltliche Wertabgaben angesetzt habe, weil offensichtlich keine Einzelaufzeichnungen dafür vorlägen. Der Ansatz der Pauschbeträge schließe Abschläge wegen persönlicher und individueller Gewohnheiten aus. Die Entnahmen zum vollen Steuersatz seien mit einem Betrag von 4.977 Euro netto, d. h. mit 5.922,63 Euro zzgl. Umsatzsteuer, angesetzt worden. Abzüglich des insoweit in der Gewinnermittlung bereits berücksichtigten Betrags von 600 Euro ergebe sich daher eine Gewinnerhöhung von 5.322,63 Euro. Diesen Betrag erhöhte der Antragsgegner noch um erstattete Umsatzsteuer in Höhe von 212 Euro.

Die Antragsteller legten gegen die Bescheide Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung. Sie blieben bei ihrer Ansicht, dass der dem vollen Steuersatz unterliegende Eigenverbrauch mit 600 Euro anzusetzen sei, weil der Antragsteller Waren, die dem vollen Steuersatz unterlägen, nur für 660,47 Euro eingekauft habe. Es sei daher gar keine Ware zu 19 % im Wert von 4.977 Euro vorhanden gewesen, die hätte entnommen werden können.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 30. August 2010 unter Hinweis darauf ab, dass mit den dem vollen Steuersatz unterworfen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge