Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung der Haftung nach § 69 AO wegen insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit nach §§ 130 ff. InsO. Haftungsinanspruchnahme eines Prokuristen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH mangels Masse abgewiesen, ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass sich aus der hypothetischen insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit von Steuerzahlungen, so sie denn geleistet worden wären, keine Einschränkung der Haftung ergibt.

2. Gehört zum Aufgabenbereich des über eine umfassende Bankvollmacht verfügenden Prokuristen einer GmbH neben der Erledigung des gesamten kaufmännischen Bereichs auch die Besorgung der steuerlichen Belange der GmbH, kann er bei schuldhafter Verletzung der steuerlichen Pflichten der GmbH als Verfügungsberechtigter nach § 69 AO i.V.m. § 35 AO für Steuerschulden der GmbH haften.

 

Normenkette

AO § 69; InsO §§ 130, 26 Abs. 1; AO §§ 35, 191 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; HGB § 49 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt die Aufhebung der Vollziehung eines Haftungsbescheids, den der Antragsgegner ihm gegenüber erlassen hat und mit dem er für Umsatzsteuerschulden der H K GmbH (im Folgenden: GmbH) in Anspruch genommen wird.

Der Antragsteller war neben dem Mitgesellschafter A zu 50 v. H. an der GmbH beteiligt (Dokumente, BI. 30), die im Juni 2001 errichtet worden und deren Gegenstand die Planung, Konstruktion und der Bau von KIima-Luftheiz- und elektrotechnischen Anlagen, deren Vertrieb und Montage, sowie Heiz- und Sanitäranlagen war. Geschäftsführer der GmbH war Herr A, während dem Antragsteller Einzelprokura übertragen worden war. Die Prokura wurde dem Antragsteller im Mai 2003 entzogen. Am 30. Mai 2003 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt, den das Amtsgericht S durch Beschluss vom 13. August 2003 mangels Masse abgewiesen hat. Die GmbH wurde am 26. November 2004 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen im Handelsregister gelöscht (Rechtsbehelfsakte – Rbh-, BI. 35).

Das Amtsgericht B erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft S gegenüber dem Antragsteller einen Strafbefehl wegen Untreue, nachdem der Antragsteller bereits wegen eines Insolvenzdelikts zu einer Geldstrafe verurteilt worden war (Rbh, BI. 71 ff.).

Wegen eines Teils der Steuerrückstände der GmbH in Höhe von 31.338,57 EUR, welche sich aus den Umsatzsteuerschulden für die Voranmeldungszeiträume August 2002 bis November 2002 sowie Januar 2003 bis März 2003 zusammensetzten, erließ der Antragsgegner am 29. April 2004 gegenüber dem Antragsteller einen Haftungsbescheid (Haftungsakte – HA –, BI. 82), nachdem er ihm zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (HA, BI. 56 ff.). Der Haftungsbescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der in den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde am 3. Mai 2004 zugestellt (HA, BI. 85). Hiergegen legte der Antragsteller am 3. Juni 2004

Einspruch ein (Rechtsbehelfsakte – Rbh –, BI. 5), den er im Wesentlichen damit begründete, dass er als Prokurist der GmbH, der er bis Mai 2002. gewesen sei, nicht als Haftungsschuldner in Betracht komme (Rbh, BI. 7). In seiner Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2006 setzte der Antragsgegner die Haftungsschuld auf 18.803 EUR herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück (Gerichtsakte – AdV –, BI. 22 ff.).

Am 24. Juni 2004 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids (Rbh, BI. 7), die dieser zunächst bis zum 31. Januar 2005 gewährte (Rbh, BI. 12). Mit seiner Verfügung vom 2. Juni 2006 widerrief der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von 50 v.H. des festgesetzten Haftungsbetrags (Rbh, BI. 25).

Daraufhin stellte der Antragsteller am 12. Dezember 2005 den vorliegenden gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, ein Prokurist sei nicht generell als Haftungsschuldner heranzuziehen. Der pauschale Hinweis auf § 35 AG im angefochtenen Haftungsbescheid reiche dazu nicht aus. Denn nach der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung sei die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Prokuristen durch den ihm allgemein zugewiesenen Geschäftsbereich begrenzt, soweit er nach außen hin nicht über diesen hinaus aufgetreten sei. Gerade diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt. Außerdem sei ihm der Geschäftsbereich „Steuern” innerhalb der GmbH nie zugewiesen worden. Sämtliche steuerlichen Belange seien durch den Geschäftsführer in Zusammenarbeit mit dem von ihm beauftragten Steuerberater abgewickelt worden. Der Antragsteller ist der Ansicht, den Antragsgegner treffe die objektive Beweislast dafür, dass er – dem Antragsteller für die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten in der GmbH verantwortlich gewesen sei.

Die Antragsteller beantragt sinngemäß (...

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