Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung von nach der Abgabe der Aufrechnungserklärung an die Ehefrau abgetretener Steuererstattungsansprüche des Ehemanns mit Regressansprüchen des Bundeslands aus der Inanspruchnahme von zugunsten des Ehemanns übernommenen Landesbürgschaften

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Bundesland als Schuldner des Steuererstattungsanspruchs mit Regressansprüchen aus einer Inanspruchnahme aus Landesbürgschaften gegenüber dem Ehemann aufgerechnet, hat der Ehemann den Erstattungsanspruch anschließend an seine Ehefrau abgetreten und hält das Bundesland der Ehefrau als Zedentin des Steuererstattungsanspruchs die Aufrechnung entgegen, so sind die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche (Regressansprüche Landesbürgschaften) entsprechend ihrer Rechtsnatur grundsätzlich vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Die Aufrechnung ist grundsätzlich auch dann zulässig und materiell-rechtlich wirksam, wenn Forderung und Gegenforderung in verschiedenen Verfahrensarten (der Steuererstattungsanspruch vor dem Finanzgericht, die Regressansprüche aus Bürgschaftsinanspruchnahme vor dem Zivilgericht) geltend zu machen sind.

2. Wird die Rechtsmäßigkeit der im Zivilrechtsweg zu verfolgenden Gegenforderung bestritten, hat das FG im Fall der Aufrechnung mit einer bürgerlich-rechtlichen Forderung, die klageweise nur vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden könnte, gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung nach § 155 FGO, § 322 Abs. 2 ZPO und die Vorgreiflichkeit der in den Bereich der Zivilgerichte fallenden Entscheidung das Verfahren nach § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung auszusetzen. In diesem Falle ist dem mit der umstrittenen Gegenforderung aufrechnenden Beteiligten eine Frist zur Erhebung der Klage auf Feststellung des Bestehens dieser Forderung in dem für diese zuständigen Rechtsweg zu setzen.

3. Ist die Klage des Bundeslandes auf Feststellung des Bestehens der Regressforderung aus der Landesbürgschaft vom OLG mangels Feststellungsinteresse als unzulässig verworfen worden, so entfaltet das OLG-Urteil keine Rechtskraft gegenüber der Ehefrau als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes, weil es als sog. Prozessurteil erlassen wurde und somit nach § 322 Abs. 1 ZPO keine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung vorliegt. In diesem Fall ist das FG auch nach Durchführung des zivilgerichtlichen Verfahrens nicht daran gehindert, über die Entstehung der Aufrechnungsgegenforderung und deren Bestand bis zur Aufrechnungserklärung selbst zu entscheiden.

 

Normenkette

AO §§ 47, 226 Abs. 1, 4, § 218 Abs. 2; BGB §§ 387, 406; ZPO § 322 Abs. 1-2, § 325 Abs. 1, § 256; FGO § 74

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.08.2017; Aktenzeichen VII R 12/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

In den Jahren 2003 und 2004 wurde die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war in dieser Zeit als Lehrerin angestellt, ihr Ehemann unter anderem Gesellschafter und Geschäftsführer der A. KG. Nach der Trennung der Eheleute im Dezember 2005 wohnte der Ehemann der Klägerin zunächst in Potsdam und sodann in Großbritannien. Dort wurde im Mai 2007 ein Verfahren wegen „bankrupt” gegen ihn eröffnet, im Rahmen dessen ihm im Mai 2008 Restschuldbefreiung nach englischem Recht erteilt wurde.

Bereits seit Oktober 2005 lag dem damals zuständigen Finanzamt für den Ehemann der Klägerin ein Aufrechnungsersuchen des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt wegen Regressforderungen aus der Inanspruchnahme aus Landesbürgschaften in Höhe von 195.520,00 EUR vor. Die Forderungen sind als unbestritten und fällig bezeichnet. Zum Hintergrund hat das Ministerium der Finanzen folgendes mitgeteilt:

Der A. KG hat die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH (MBG) im Jahr 2004 eine stille Einlage in Höhe von 300.000,00 EUR geleistet. Nachdem über das Vermögen der GmbH & Co KG am 13. Juni 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die MBG die stille Beteiligung am 20. Juni 2005 fristlos gekündigt. Die Beteiligung war gesichert durch eine 80%ige Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Sachsen-Anhalt GmbH, die ihrerseits abgesichert war durch Rückbürgschaften der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Sachsen-Anhalt in Höhe von zusammen 80%. Sämtliche Ausfall- und Rückbürgschaften sind in Anspruch genommen worden, und in der Folge berühmt sich das Land Sachsen-Anhalt eines entsprechenden Anspruchs gegen den Ehemann der Klägerin. Denn dieser hatte in dem Beteiligungsvertrag eine sog. Rückzahlungsgarantieverpflichtung unter anderem hinsichtlich der geleisteten stillen Einlage übernommen. Die MBG hat ihre Forderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co KG zur Tabelle gemeldet, die Forderung ist jedoch sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Ehemann der Klägerin als Schuldnervertreter in voller Höhe bestritten worden.

Aus dem Einkommensteuerbesche...

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