Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsbesteuerung und Steuerentstehung bei zu Gunsten eines Dritten abgeschlossenem Versicherungsvertrag; "Betagung" eines Anspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein zu Gunsten eines Dritten abgeschlossener Lebensversicherungsvertrag unterliegt auch dann als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs.1 Nr.4 ErbStG und nicht als Schenkung unter Lebenden der Erbschaftsteuer, wenn der Begünstigte bereits vor dem Tod des Versicherungsnehmers unwiderruflich als Bezugsberechtigter benannt war.

2. Die Erbschaftsteuer hinsichtlich dieser Lebensversicherung ensteht nicht bereits am Todestag des Erblassers, sondern erst dann, wenn der Anspruch des Dritten auf die Auszahlung der Versicherungssumme nach Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls nötigen Erhebungen des Versicherers fällig wird.

3. Erbschaft- und schenkungsteuerlich sind entsprechend dem Zivilrecht solche Ansprüche "betagt", die zwar entstanden, aber noch nicht fällig sind (gegen BFH-Urteil vom 18.3.1987 II R 133/84, BFH/NV 1989, 489).

 

Normenkette

ErbStG 1991 § 3 Abs. 1 Nr. 4; ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a; BGB § 813 Abs. 2; VVG § 11 Abs. 1; ErbStG § 1 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.08.2003; Aktenzeichen II R 58/01)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt der Besteuerung einer Lebensversicherung.

Der damalige Ehemann der Klägerin verstarb am 22. September 1995 unfallbedingt. Die Klägerin schlug die Erbschaft aus. Sie war Bezugsberechtigte aus verschiedenen Lebensversicherungen bei drei Versicherungsgesellschaften. Zwei Gesellschaften zahlten im Jahre 1995 Versicherungssummen in Höhe von insgesamt 122.247 DM aus, während die dritte Versicherungsgesellschaft … wegen der ungeklärten Umstände des Todes des Versicherungsnehmers zunächst die Ermittlungsakten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft anforderte, um ihrer Leistungspflicht prüfen zu können. Nach Abschluß der Prüfung im Februar 1996 zahlte… noch im gleichen Monat Versicherungsleistungen in Höhe von 620.606 DM aus.

Der Beklagte unterwarf der Erbschaftsteuer die insgesamt ausgezahlten Beträge in Höhe von 742.853 DM. Nach Maßgabe des bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) setzte er unter Anwendung der Steuerklasse 1 (6%) und Berücksichtigung von Freibeträgen in Höhe von zusammen 500.000 DM mit Bescheid vom 17. April 1998 Erbschaftsteuer in Höhe von 14.568 DM fest.

Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch wandte sich die Klägerin gegen die Besteuerung der im Jahre 1996 zugeflossenen Versicherungsleistungen nach dem bis zum 31.12.1995 geltenden ErbStG. Maßgebend für die Anwendung der jeweiligen Fassung des ErbStG sei der Zuflußzeitpunkt. Für einen Großteil der Versicherungsleistungen komme daher das Erbschaftsteuergesetz in der ab dem 1. Januar 1996 gültigen Fassung zur Anwendung.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Bescheid vom 27. Oktober 1999 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Steuerpflicht beruhe auf § 3 Absatz 1 Nr. 4 ErbStG. Die Steuer entstehe deshalb gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tode des Verstorbenen. Eine etwaige Prüfung durch die Versicherung habe hierauf keinen Einfluß, da alle Versicherungen ihre Leistungspflicht prüfen müssten.

Mit ihrer am 24. November 1999 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, bei dem Lebensversicherungsvertrag handele es sich um eine Schenkung unter Lebenden gemäß §§ 328, 330, 331 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–. Eine solche Schenkung sei nach § 7 Absatz 1 Nr. 2 ErbStG steuerpflichtig. Die Steuer entstehe in diesem Fall gemäß § 9 Absatz 1 Nr. 2 ErbStG mit der Ausführung der Schenkung. Soweit ihr 620.606 DM erst im Februar 1996 ausgezahlt worden seien, käme das ErbStG in der nach dem 31. Dezember 1995 geltenden Fassung zur Anwendung. Die geänderten Freibeträge würden zu einer geringeren Steuer bzw. zu vollständiger Steuerfreiheit führen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Steuerbescheides vom 17. April 1998 und des Einspruchsbescheides vom 27. Oktober 1999 die Erbschaftsteuer auf 0 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen die in der Einspruchsentscheidung angeführten Argumente vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet; die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt. Nach Ansicht des Senats handelt es sich bei der Versicherungsleistung der … um einen betagten Anspruch im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG, der die Steuer erst im Februar 1996 entstehen lässt.

Versicherungsleistungen unterliegen als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Absatz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nr. 4 ErbStG der Erbschaftsteuer. Danach gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird. Hierunter fallen insbesondere zu Gunsten Dritter abgeschlossene Lebensversicherungsverträge (vgl. ...

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