Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Kostenerstattung nach § 77 EStG für Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Einspruchsverfahren gegen einen Kindergeldaufhebungs- und -rückforderungsbescheid bei zuvor unvollständigen Mitteilungen der Eltern zum Sachverhalt sowie unterbliebener Einreichung von eindeutigen Nachweisen zum Vorliegen von Ausbildungsbemühungen des volljährigen Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist im Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung von Kindergeld u. a. ausgeführt, dass eigene Bemühungen des volljährigen Kindes um einen Ausbildungsplatz nicht bzw. nicht ausreichend nachgewiesen worden sind und dass der Nachweis durch Vorlage von Absageschreiben, Zwischennachrichten oder Bewerbungen erfolgen kann, so benennt der Bescheid das erforderliche Tun des Kindergeldberechtigten verständlich und zweifelsfrei. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Einspruchsverfahren ist dann nicht notwendig i. S. d. § 77 Abs. 2 EStG und eine Kostenerstattung nach § 77 EStG scheidet aus.

2. Hat der Steuerpflichtige vor Ergehen des Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheids der Familienkasse den entscheidungserheblichen Sachverhalt nur lückenhaft mitgeteilt und ergeben sich aus den bis dahin vorgelegten Unterlagen für die Familienkasse keine Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz, so trifft den Steuerpflichtige ein Verschulden i. S. d. § 77 Abs. 1 S. 3 EStG.

 

Normenkette

EStG § 77 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2, § 68 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten hat, die ihr im Rahmen der Durchführung des Einspruchsverfahrens wegen Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld für das Kind S. für den Zeitraum Dezember 2015 bis April 2016 sowie Rückforderung des für diesen Zeitraum ausgezahlten Kindergeldes i.H.v. 948,– EUR entstanden sind.

Am 25. September 2015 ging der von der Klägerin und dem Kind S. am 21. September 2015 unterschriebene Vordruck „Mitteilung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz” bei der Beklagten ein. Oberhalb der beiden Unterschriften auf dem ausgefüllten Vordruck findet sich folgender Hinweis: „Uns ist bekannt, dass wir alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen haben.”

Mit Bescheid vom 2. Oktober 2015 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin Kindergeld für das Kind S. ab dem Monat August 2015 fest und zahlte das Kindergeld fortlaufend aus. Zur Begründung des Festsetzungsbescheides führte die Beklagte aus, dass das Kind S. kindergeldrechtlich berücksichtigt werden könne, weil es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen könne.

Am 6. April 2016 veranlasste die Beklagte, dass die Auszahlung von Kindergeld für das Kind S. an die Klägerin ab Mai 2016 eingestellt wird, weil das Kind S. nach den Erkenntnissen der Beklagten nicht mehr bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet war.

Mit Schreiben vom 6. April 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über ihren Anspruch auf Kindergeld für das Kind S. noch nicht bzw. noch nicht endgültig entschieden werden könne, weil Nachweise über eigene Bemühungen des Kindes S. um eine Ausbildung ab Oktober 2015 (z.B. Kopien von Absageschreiben oder Zwischennachrichten von Ausbildungsbetrieben, Ablehnungsbescheide von Universitäten, Hochschulen oder Fachhochschulen) fehlten. Die Beklagte kündigte an, die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind S. aufzuheben, wenn die Klägerin die fehlenden Unterlagen nicht bis zum 18. April 2016 vorlege oder zumindest eventuelle Hinderungsgründe mitteile.

Hierauf reagierte die Klägerin nicht.

Mit Schreiben vom 27. April 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie Kindergeld für den Zeitraum Oktober 2015 bis Dezember 2016 i.H.v. insgesamt 1.324,– EUR (= 564,– EUR für Oktober 2015 bis Dezember 2015 + 760,– EUR für Januar 2016 bis April 2016) erhalten habe, obwohl darauf möglicherweise kein Anspruch bestanden habe. Hierzu erläuterte die Beklagte, dass die Klägerin den Anspruch auf Kindergeld für den genannten Zeitraum nicht mehr nachgewiesen habe. Sie habe trotz Aufforderung mit Schreiben vom 6. April 2016 die erforderlichen Nachweise über eigene Bemühungen des Kindes S. um einen Ausbildungsplatz nicht vorgelegt. Da aufgrund dieses Sachverhalts Kindergeld möglicherweise seit Oktober 2015 zu Unrecht gezahlt worden sei, müsse geprüft werden, ob die Festsetzung ggfls. aufzuheben oder zu ändern sei (§ 70 des Einkommensteuergesetzes –EStG–; §§ 172 ff. der Abgabenordnung –AO–). Das zu viel gezahlte Kindergeld sei in diesem Fall von der Klägerin nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Bevor darüber entschieden werde, ob der Betrag i.H.v. 1.324,– EUR von der Klägerin erstattet werden müsse, erhalte diese Gelegenheit zur Stellungnahme. Außerdem kündigte die Beklagte an, dass sie nach Aktenlage entscheiden werde, wenn die Klägerin sic...

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