Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer: Zahlungen für Sonderwünsche des Käufers einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung als zusätzliche Leistungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 15/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält der vor Baubeginn abgeschlossene Kauf- und Werkvertrag bezüglich einer noch zu errichtenden Eigentumswohnung eine eigene Klausel zur Regelung sämtlicher Änderungen der Bauausführung auf Wunsch des Erwerbers vor Übergabe des Objekts, unter anderem eine ausdrückliche Regelung zur Übernahme von Mehrkosten und ein Verbot der Ausführung von Arbeiten durch den Erwerber selbst oder von ihm direkt beauftragte Handwerker, so führen die später tatsächlich vereinbarten, vom Veräußerer durchgeführten und abgerechneten Sonderwünsche des Käufers zu zusätzlichen Leistungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, für die Grunderwerbsteuer in einem selbständigen Steuerbescheid festzusetzen ist, der neben den den ursprünglichen Erwerbsvorgang betreffenden Grunderwerbsteuerbescheid tritt.

2. Eine Leistung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG muss mit dem früheren Grundstückserwerb in einem rechtlichen Zusammenhang stehen, soll sie zur Gegenleistung für diesen Erwerbsvorgang gehören. Ein derartiger rechtlicher Zusammenhang besteht, wenn sich bereits aus dem ursprünglichen Vertrag, also dem Kaufvertrag oder Kauf- und Werkvertrag, – sei es unmittelbar oder über allgemeine Rechtsgrundsätze (z. B. Treu und Glauben) – ein Anspruch auf die spätere zusätzliche Leistung ableiten lässt.

3. Eine zusätzliche Gegenleistung im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist in dem Zeitpunkt verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner hinsichtlich der zusätzlichen Gegenleistung eingetreten ist. Auf die Zeitpunkte der Erfüllung der Gegenleistung oder der hierfür zu erbringenden Leistung kommt es hingegen nicht an.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung gehören.

Der Kläger und seine Ehefrau erwarben mit als Kauf- und Werkvertrag bezeichnetem notariellen Vertrag vom … Februar 2018 (Urkunde … der Urkundenrolle –UR– für das Jahr 2018 der Notarin …) zu je 1/2 Anteil vier Miteigentumsanteile an dem in …, gelegenen Grundstück, Grundbuch … Blatt … (neu … und …), Flur …, Flurstück …, verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen Nrn. 3 und 4 nebst Abstellräumen Nrn. 3 und 4 sowie an den mit den Nrn. 11 und 12 bezeichneten Teileigentumen (Tiefgaragenstellplätze) von der W-GmbH zum Preis von … EUR.

Im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kauf- und Werkvertrags war bereits die erforderliche Baugenehmigung für die von der W-GmbH geplante Eigentumswohnanlage mit … Wohneinheiten sowie … Tiefgaragenstellplätzen erteilt, aber der Neubau noch nicht erstellt. Die ebenfalls notariell beurkundete Baubeschreibung, aus der sich die Ausführung und Ausstattung des Vertragsobjekts ergab, lag dem Kläger und seiner Ehefrau bei Abschluss des notariellen Kauf- und Werkvertrags vor.

Unter Ziffer 3. des notariellen Kauf- und Werkvertrags ist Folgendes geregelt:

  1. „Soweit der Käufer nach Vertragsbeurkundung Änderungen in der Bauausführung wünscht, ist die Verkäuferin bemüht, diesen Wünschen zu entsprechen. Änderungswünsche des Käufers können aber grundsätzlich nur berücksichtigt werden, wenn damit die Bauausführung möglicherweise auch die Ausführung anderer, gleichzeitig ausgeführter Bauvorhaben nicht verzögert wird und keine Mehrkosten entstehen, es sei denn, der Käufer übernimmt diese Mehrkosten.

    Jede Abweichung von den in dieser Urkunde vereinbarten Leistungen bedarf einer einvernehmlichen Abstimmung zwischen Verkäuferin und Käufer. Die Vereinbarung über die Abweichung von diesen Leistungen bedarf zugleich einer Regelung, welche Mehr- oder Minderkosten damit verbunden sind. Die Vereinbarung ist mindestens privatschriftlich niederzulegen und zu unterzeichnen, sofern nicht eine notarielle Beurkundung wegen einer Änderung des heutigen Vertrages erforderlich ist.

  2. Die Ausführung von Arbeiten durch den Käufer selbst oder von ihm direkt beauftragte Handwerker ist vor der Übergabe des Objekts ausgeschlossen. Er ist nicht berechtigt, den ausführenden Werkunternehmen unmittelbar eigene Aufträge zu erteilen, es sei denn, die Verkäuferin stimmt dem zu. Der Käufer (oder von ihm beauftragte Dritte) ist berechtigt, die Baustelle nach Absprache mit der örtlichen Bauleitung auf eigene Gefahr zu betreten. „

In § 7 des notariellen Kauf- und Werkvertrags vom … Februar 2018 ist geregelt, dass die Übergabe des Vertragsobjekts spätestens am 31. Dezember 2019 erfolgt, jedoch nicht vor vollständiger Zahlung des Kaufpreises.

Aus dem vom Kläger und seiner Ehefrau als Käufer sowie der W-GmbH als Bauträger am … November 2019 unterschriebenen Übergabep...

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