rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von zu Unrecht angerechneten Steuerabzugsbeträgen. Verhältnis von Abrechnung und Anrechnung. Anwendungsbereich des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist ausgeschlossen, die Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen, Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer, die zu einem Ausgleichsanspruch i. S. d. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG 1990 geführt haben, nach Ablauf der 5-jährigen Zahlungsverjährungsfrist zurückzunehmen und dadurch einen Erstattungsanspruch i. S. d. § 37 Abs. 2 AO zugunsten des Finanzamts auszulösen.

2. Der Senat konnte im Streitfall offenlassen, ob er der Auffassung des I. Senats des BFH, nach der die Vorschrift des § 218 AO lex specialis für Streitigkeiten über die Verwirklichung von Steueransprüchen sei, weshalb der Abrechnungsbescheid der Anrechnungsverfügung vorgehe, ohne dass er die Anrechnungsverfügung aufhebe, oder aber derjenigen des VII: Senats des BFH folgen würde, nach der es sich bei der Anrechnungsverfügung um einen deklaratorischen Verwaltungsakt handle, der nach dem eindeutigen Wortlaut des § 130 Abs. 2 AO nur unter den dort geregelten Voraussetzungen geändert werden dürfe.

3. Eine Anrechnungsverfügung über die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Körperschaftsteuer ist rechtswidrig, wenn der Steuerpflichtige weder rechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer der von seiner Bank erworbenen Aktien geworden ist, weil dem Erwerb der Aktien durch die Bank, die ihrerseits die Wertpapiere zum Zwecke des Dividendenstrippings weiterveräußert hat, ein Leerverkauf des Veräußerers zugrunde lag.

4. § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO ist einschränkend dahin auszulegen, dass der Tatbestand nur solche unrichtigen Angaben erfasst, die der Begünstigte selbst gemacht hat oder dem Begünstigten zuzurechnen sind, weil sie von seinem Bevollmächtigten oder Beistand gemacht wurden. Das Fehlverhalten Dritter braucht sich der Steuerpflichtige hingegen nicht entgegenhalten zu lassen. Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis des Begünstigten von der Unrichtigkeit der Angaben sind jedoch nicht erforderlich.

 

Normenkette

EStG 1990 § 36 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4; KStG 1991 § 44 Abs. 1; AO § 37 Abs. 2, §§ 228-229, 218 Abs. 1, § 130 Abs. 2 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.12.2010; Aktenzeichen VII R 3/10)

BFH (Urteil vom 09.12.2010; Aktenzeichen VII R 3/10)

 

Tenor

Der Abrechnungsbescheid über Einkommensteuer 1990 vom 21. Oktober 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2005 sowie der Abrechnungsbescheid vom 25. November 2009 und die Anrechnungsverfügung vom 3. Januar 2001 werden ersatzlos aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 15 % und den Beklagten zu 85 % auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

Der Kläger, der in den Streitjahren als Kursmakler gewerblich tätig war, wurde aufgrund der in den Jahren 1990 bzw. 1991 eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1989 und 1990 zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurden unter anderem folgende, von der Depotbank W in M ausgestellte Steuerbescheinigungen berücksichtigt:

  1. Dividendenausschüttung der X-AG vom 7.Juni 1989

    Stückzahl

    Dividende

    KEST

    Körperschaftsteuer

    Bruttodividende

    10.000

    120.000,00 DM

    30.000,00 DM

    67.500,00 DM

    187.500,00 DM

  2. Dividendenausschüttungen der Y-AG vom 23.März 1990 und der X-AG vom 13.Juni 1990

    Stückzahl

    Dividende

    KEST

    Körperschaftsteuer

    Bruttodividende

    30.000 Y-AG

    375.000,00 DM

    93.750,00 DM

    210.937,50 DM

    585.937,50 DM

    25.000 X-AG

    325.000,00 DM

    81.250,00 DM

    182.812,50 DM

    507.812,50 DM

Die Depotbank W hatte die Steuerbescheinigungen als Depotbank des Klägers ausgestellt. Die in den Steuerbescheinigungen ausgewiesenen anrechenbaren Steuern waren Gegenstand der zu den Steuerbescheiden ergangenen Anrechnungsverfügungen. Unter Berücksichtigung einer festgesetzten Steuer in Höhe von 445.854,– DM ergab sich nach Anrechnung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 96.470,– DM, Körperschaftsteuer in Höhe von 209.164,– DM und Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 146.196,– DM für 1989 ein Guthaben in Höhe von 5.976,– DM, das mit einer Kirchensteuernachzahlung verrechnet wurde. Für 1990 wurden ausgehend von einer Einkommensteuer in Höhe von 351.360,– DM Kapitalertragsteuer in Höhe 269.413 DM, Körperschaftsteuer in Höhe von 606.179,– DM sowie 109.269,– DM Einkommensteuervorauszahlungen angerechnet und das hieraus resultierende Guthaben in Höhe von 633.501,– DM ausgezahlt.

Im Rahmen einer bereits im Jahre 1997 eingeleiteten Steuerfahndungsprüfung des Finanzamtes O wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Verschiedene Kursmakler, darunter auch der Kläger, waren an den ebenfalls als Kursmakler tätigen B, der bei der Z-Bank beschäftigt war, herangetreten, um Aktien ...

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